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Zocken wie ein junger Gott

Christian Jandrisits

Zu Weihnachten trifft sich die Familie – ob sie will oder nicht.
Das ist für dich die perfekte Gelegenheit, den Nachwuchs an der Konsole zu stompen. So heißt das nämlich, wenn man jemanden beim Zocken so richtig fertigmacht. Und das können auch Oldies. 

Text: Jakob Stantejsky Fotos: DieHardBirdie, Activision

Der Begriff „Oldies“ bezeichnet in diesem Kontext auf jeden Fall alle, die über 30 sind. Denn die können angeblich in puncto Gaming schon rein körperlich nicht mehr mit den Jungspunden mithalten, heißt es. Die Reflexe beginnen nämlich bereits mit Mitte 20 schön langsam nachzulassen. Ist es für einen Boomer also ein aussichtsloses Unterfangen, einen Zoomer am Gerät zu besiegen? Die Antwort ist natürlich nicht so schwarz-weiß. Denn je nach Spiel liegt der Fokus auf unterschiedlichen Qualitäten. Ja, rasante Shooter wie Call of Duty sind schon eher auf Reak­tions­vermögen ausgelegt. Aber es gibt nicht nur zahllose andere competitive games wie MOBAs (Multiplayer Online Battle Arena) à la League of Legends, Strategiespiele wie Age of Empires oder Sportspiele von Fußball bis Formel 1. Sondern auch bei Shootern gibt es hochtaktische Vertreter, bei denen Übersicht, Strategie und Geduld viel wichtiger sind als ein schneller Finger am Abzug: Rainbow Six: Siege ist ein Paradebeispiel. Die erste Regel, wenn du deinen Neffen wegklatschen willst, lautet also: „Choose your weapon.“

ABBE „DieHardBirdie“ BORG – Mit 78 Lenzen wurde der Schwede anno 2019 einer der ältesten E-Sports-Champions der Welt. Das erste Mal zum Controller griff er übrigens bloß zwei Jahre zuvor. 

Kleiner Disclaimer: Natürlich sind halbwegs zackige Reflexe bei keinem Multiplayergame von Nachteil. Doch wirklich unverzichtbar sind sie bei den Wenigsten. Die Steuerung draufzuhaben, ist natürlich der wichtigste Punkt. Wenn du ständig auf den Controller stieren musst, um die Taste zu treffen, wird garantiert der Boden mit dir aufgewischt. Hast du aber mal das Feeling drin, funktioniert es rein mechanisch in jedem Spiel verlässlich. Also ganz blöd gesagt: Kauf dir einen Controller (muss auch kein Original um mindestens 50 Euro sein, da reicht auch ein billiger Abklatsch) und lerne, damit umzugehen. Das ist wirklich das Allermindeste.

Zur Wahl des Spiels: Nicht-­Gamer tun sich natürlich leichter, wenn der Inhalt des Spiels möglichst vertraut ist. Als Fußball-Auskenner eignet sich FIFA oder Pro Evolution Soccer. Als Rennsport-Fan solltest du bei der Gran Turismo- oder Forza-Reihe gut aufgehoben sein. Wichtig: Nicht den Fehler machen, zu viel Realismus zu erwarten. Games sind immer noch Games und du darfst es ruhig enthusiastischer angehen als im echten Leben. Von hochkom­plexen Strategiespielen oder extrem kombolastigen Titeln (Kampfspiele wie Tekken, Mortal Kombat, etc.) sei unbedingt abgeraten. Hier sind schon alleine mehrere dutzend Stunden an Übung nötig, damit man nicht mehr wie der erste Mensch herumeiert.

Apropos Übung: Um die führt kein Weg herum. Nicht umsonst stecken Pros unzählige Stunden in ihr Game, damit sie es vielleicht mit viel Glück an die Weltspitze schaffen. Ein Beispiel: Der damals 16-jährige russische Counter Strike: Global Offensive-Profi Ilya „m0NESY“ Osipov hat im Februar 2022 15.000 gespielte Stunden geknackt. Das sind rund elf Prozent seiner gesamten Lebenszeit. Solche Zahlen sind natürlich völlig unnötig, damit du deinen Neffen wegklatschen kannst. Aber wenn er regelmäßig spielt und du nicht, wirst du zu 90% verlieren.

Dass man auch im hohen Alter noch ein echter Gamer sein kann, beweist Abbe „DieHardBirdie“ Borg. Der Schwede ist 2019 mit 78 Jahren nämlich der älteste e-Sports-­ Champion der Welt geworden. Zwar hat er mit seinen ­Silver Snipers nur in der Senior-­Kategorie von CS:GO gewonnen, war aber selbst dort ein waschechter Oldie im Konkurrenzvergleich. Begonnen zu spielen hat er übrigens erst 2017. Seine sieben goldenen Regeln zum Erlernen eines neuen Skills lauten: 

1.
Du brauchst das richtige ­Mindset

2.
Mach dir keinen Stress, geh dein eigenes Tempo

3. Disziplin

4.
Übung, Übung und noch mehr Übung

5. Keine Angst vor dem Versagen

6.
Nimm dir Hilfe von Profis und Lehrern

7.
Schau auf dich – physisch und psychisch 

Und jetzt mal ganz im Ernst: Wenn ein beinahe 80-jähriger sich in zwei Jahren zum Weltmeistertitel zocken kann, dann kannst auch du auf der Couch ein paar Kiddies zerlegen.