KULTUR

MARTIN GASSELSBERGER

Christian Jandrisits

Der österreichische Jazzpianist und Komponist Martin Gasselsberger hat sich mit seiner umfangreichen Live-Tätigkeit und seinen zahlreichen, vielbeachteten CD-Veröffentlichungen einen klingenden Namen gemacht, weit über die österreichischen Landesgrenzen hinaus.

Text: Günther Wildner/Fotos: Reinhard Winkler/Headerfoto: Bernhard Brunmair

Nun beschäftigt er sich mit der Königsdisziplin jedes konzertierenden Musikers: mit dem völlig frei improvisierten Solo-Konzert. Um in dieser herausfordernden Spielsituation zu bestehen, braucht es ein aufmerksames, neugieriges Publikum, einen klanglich ausbalancierten Konzertsaal und ein Instrument, das den Spieler trägt und inspiriert. Mit einem Steinway Concert Grand D-274 hatte Gasselsberger am 15. Oktober 2022 im Innsbrucker Haus der Musik einen Flügel zur Verfügung, der seiner musikalischen Reise maximale Differenziertheit im Ausdruck und stupende Klangschönheit gleichermaßen ermöglichte.

Martin Gasselsberger at work …

Zum Abtasten der Ausgangsbedingungen bei diesem Konzert, das erst später aufgrund seiner Qualität und Einzigartigkeit von Gasselsberger, seinem Co-Produzenten und Aufnahmeleiter Georg Croll sowie vom Plattenlabel ATS Records zur Veröffentlichung ausgewählt wurde, startet er mit einer langen Phase einstimmigen Spiels. Die Töne sind rund, voller Obertöne, klug gesetzt und vorausschauend gestaltet. Jede Abstufung der Dynamik und jede agogische Nuance bilden sich präzise und luxuriös in Instrument und Raum ab.

Gasselsberger stellt sein anfängliches Tonmaterial mit kurzen Motiven vor, die er unmittelbar in Beziehung setzt, vorsichtig und für das Publikum immer nachvollziehbar verbindet und entwickelt. Danach zieht er 76 Minuten lang – auf der vorliegenden CD in vier Abschnitte gegliedert – alle Register seines pianistischen und improvisatorischen Könnens. Lang im Raum stehende Einzeltöne vermehren sich zu perlenden Klangvorhängen, neue lineare Ideen und Stimmen weben sich allmählich fugenartig und kontrapunktisch in die vorwärtsdrängenden, immer wieder stoppenden und neu anstartenden, ausladenden, virtuos phrasierten Melodiebögen der rechten Hand. Harmonisch bleibt der Pianist als Komponist des Augenblicks tonal, beheimatet in den Welten von Klassik, Jazz und Pop, wobei der deutlich macht, wie nahe sich diese Genres in der unmittelbaren Konfrontation und Kombination ihrer musikalischen Elemente kommen. 

Ziel jedes Solo-Konzertes und gleichzeitig der Zustand von Konzentriertheit und Offenheit gegenüber den eigenen Ideen ist der „Flow“, wie Gasselsberger in einem Text über seine Konzertvorbereitungen schreibt. Der Flow ist die Währung und der Bund zwischen Künstler und Publikum, er schafft ein Band des Vertrauens, flexibel und dehnbar. Spannend und unausrechenbar für beide Seiten bleibt, wie der Flow trägt und wo er hinführt. Die Musik des Oberösterreichers lässt sich jedenfalls gleichermaßen lohnend analytisch erfassen als auch emotional genießen. 

Als Vorbereitungen auf solch einen exponierten Konzertabend nennt Gasselsberger das Hören von Bach, Beethoven, Schubert, Schumann und Debussy, Jazz jedoch eher nicht. Sonst arbeitet er vorwiegend an seinen pianistischen Fähigkeiten, denn technische Mängel dürfen niemals Hindernisse für spontane, musikalische Ideen sein.

Den letzten Konzertabschnitt von „Solo in Innsbruck“ bildet ein tief Blues-getränktes Gospel-Piano-Showcase, das alle Facetten dieses Genres bedient. Gasselsbergers Performance kann in einem Zug mit den bemerkenswertesten improvisierten Solo-Konzerten weltweit genannt werden und fügt der Gattung ein beachtliches Highlight hinzu. Ebenso weitläufig und international wird sich die weitere Zusammenarbeit des Pianisten Gasselsberger mit Steinway & Sons gestalten. Ein großes Publikum wird mit Freude diese besondere Kombination aus höchstem musikalischem Anspruch und seiner bestechenden Umsetzung entdecken. 

Übrigens wurde der Konzertmitschnitt nachträglich weder inhaltlich noch tontechnisch bearbeitet. 100% pur bleibt dieses einzigartige Ereignis für Interessierte dokumentiert. 

Am 1. Juni wird Martin Gasselsberger nach einem Kurzkonzert bei Steinway & Sons, Opernring 6/8, 1010 Wien, im Gespräch mit Franz J. Sauer über sein Abenteuer „Solo-Konzert – frei improvisiert“ sprechen und danach für Fragen gerne zur Verfügung stehen.

Solo in Innsbruck/Martin Gasselsberger – Piano ATS Records, CD-1005