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Dirk Stermann: GLÜCK UND ABERGLAUBE

Christian Jandrisits

Kickl hat Glück. Alle Probleme kommen ihm zu Gute, auch wenn er für die Probleme selber keine Lösungen hat. (Dirk Stermann kolumniert seit ­Jahren im WIENER, heißt wöchentlich Österreich willkommen und ist er­folg­reicher Autor. Hier seine Kolumne aus dem WIENER 455/Sommer-Edition)

Illustration: Verlag

Abergläubisch zu sein ist etwas für Dummköpfe, aber es nicht zu sein, bringt Unglück. Also hebe ich alle 1 Cent Münzen auf, weil die angeblich Glück bringen. Ich habe Berge von 1 Cent Münzen daheim, trete aber trotzdem immer wieder in Hundescheiße, was ja auch Glück bringen soll, aber dieses Glück riecht. Die 1 Cent Münzen trage ich nicht zur Bank, um sie in fünfhundert 2 Cent Münzen zu tauschen, weil ich das Schicksal nicht herausfordern will. Ich rieche an meinen Schuhen und weiß, das Schicksal ist streng, zumindest sein Odeur. Manche Fußballer betreten das Spielfeld mit immer dem gleichen Fuß, manche mit rechts, andere mit links, trotzdem verliert mindestens die Hälfte der Spieler das Match. Hansi Flick, der deutsche Teamchef, kann zur Zeit mit jedem Fuß das Spielfeld zuerst betreten und trotzdem verlieren. Selbst wenn er drei Füße hätte, nähme das Schicksal seinen Lauf.

Strache hatte immer eine Wahrsagerin dabei und trug ein Amulett mit Eigenurin um den Hals. Hat es ihm etwas gebracht? Schwer zu sagen, vielleicht hätte er ohne Amulett ins Gefängnis gehen müssen. Die Wahrsagerin allerdings würde ich an seiner Stelle wechseln.

Wenn Kickl aus seinem Bett steigt, das wahrscheinlich weder King-Size noch Queen-Size sondern Princess-Size hat, steigt er vielleicht auch immer zuerst mit einem bestimmten Füßchen auf. Er hat Glück. Alle Probleme kommen ihm zu Gute, auch wenn er für die Probleme selber keine Lösungen hat. Muss er auch nicht, weil die Menschen sich abgeholt fühlen, wenn jemand sagt, was ihnen nicht gefällt. 

Dirk Stermann – die neue Kolumne des dienstältesten WIENER

Ich habe Glück einmal getroffen. Nicht das sondern den. Wolfgang Glück, den Regisseur, der sogar einmal für den Oscar nominiert war und auf Empfehlung von Billy Wilder und Fred Zinnemann jahrelang Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences war, dem Verband, der den Oscar verleiht. Aber das war erst, nachdem er selbst nominiert war. Er hat sich nicht selber vorgeschlagen, das wäre
absurd.  

Es war ein Glück, Glück kennenzulernen. Es gibt solche Begegnungen, die Freude bereiten. Wahrscheinlich hatte eine meiner 1 Cent Münzen mitgeholfen. Ich traf ihn bei einer Lesung von Peter Altenberg Texten und er erzählte mir, die Manuskripte Altenbergs lägen bei ihm im Keller oder auf dem Dachboden. Vielleicht waren es aber auch die Manuskripte von Karl Kraus, manchmal bringe ich Dinge durcheinander. Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können, hat Kraus geschrieben. Daran halte ich mich nach Kräften

Aber dass man Altenberg oder Kraus Manuskripte im Keller oder auf dem Dachboden hat, weil sie sich in Familienbesitz befinden, das nenn ich Glück. In meiner Heimat Duisburg gibt es maximal alte Donald Duck Ausgaben auf Dachböden oder in Kellern. Auch nicht schlecht, aber anders gut, vielleicht eine Kategorie unter den Manuskripten dieser berühmten Menschen. Einmal traf ich eine ältere Dame oder war es ein jüngerer Herr? Egal, er oder sie hatte das gesamte Textarchiv von Joseph Roth daheim, weil der Opa sein Lektor war. Auch nicht schlecht. Das erzählte die betreffende Person mir und ich konterte damit, jemanden zu kennen, der den Karl Kraus oder Peter Altenberg Nachlass besitzt.

Wird jemand mal stolz behaupten, alle leeren Pferdeentwurmungsmittel von Herbert Kickl zu besitzen? Oder das Originalmanuskript von „Pummerin statt Muezzin?“ Vielleicht. Oft geben Menschen sich mit sehr wenig zufrieden. Ehrlich? Ich hätte lieber eine Donald Duck Ausgabe als Kickl-Devotionalien.

Wenn ich einmal Putin treffe, der ja immerhin mit Kickls Partie einen Freundschaftsvertrag hatte, werde ich ihm Karl Kraus vorlesen. Krieg ist zuerst die Hoffnung, dass es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, dass es dem anderen schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, dass es dem anderen auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, dass es beiden schlechter geht.

Vielleicht sollte ich mal in meinem Keller in Wien nachschauen oder auf meinem Dachboden. Vielleicht finde ich dort Putin. Oder ich trete erneut in Hundescheiße. Ich bin schon ­gespannt.