AKUT

Herbert Kickl und das Entwurmungsmittel für Pferde

Dirk Stermann

Es schäumt ihm aus der Nase, krabbelt, lebt. Das von ihm propagierte Entwurmungsmittel Ivermectin hat sich im FPÖ Chefvirologen durch die Nebenhöhlen gekämpft und er schneuzt jetzt die abgestorbenen Würmer in sein Feh. „It’s a Feh“, rufen die Pferdewürmer des Pferdeflüsterers. Kickl hat sich auf eine Studie berufen, wonach die Entwurmung sicheren Schutz vor Covid bietet. Die Studie scheint aber, sagen wir es vorsichtig, nicht ganz ausgereift zu sein. Die Auftraggeber der Studie haben jetzt zugeben müssen, dass es nur 10 Probanden gab und die Ergebnisse seien geschönt worden. Wahrscheinlich waren es Studienabbrecher, die die Studie erstellt haben. Aber egal, Studie ist Studie und zu jedem Schwachsinn gibt es eine passende Statistik. Mit Statistik kannst du alles erklären.
Ich habe jetzt eine Statistik über den Vietnamkrieg gelesen. Im Vietnamkrieg waren insgesamt über eine Million amerikanische Soldaten, alle im Alter zwischen 18 und 30. 50.000 von denen sind gestorben. Man hat jetzt ausgerechnet, dass, wenn die alle in Amerika geblieben wären, 70.000 von ihnen im Verkehr gestorben wären. War der Vietnamkrieg also vielleicht nur eine Sicherheitsaktion des amerikanischen Verkehrskuratoriums?
Vielleicht, vielleicht. Die Zeiten sind unsicher und Gewissheiten schwer zu finden. Tatsächlich heißt es, Herbert Kickl sei heimlich ein Befürworter der Maßnahmen und Einschränkungen, weil er möchte, dass wenigstens ein Teil der ungeimpften FPÖ-Wähler den Winter überlebt. Aber wahrscheinlich ist das auch nur ein Gerücht.
Mein Gefühl sagt mir, dass die häufige Verwendung eines Pferdeentwurmungsmittels aus meinen Organen Pferdeleberkäse macht. Und Kickl hat zwar einmal studiert, anders als der Ex-Ex-Kanzler, aber eben doch nicht wirklich Biologie oder Medizin, sondern Philosophie, wie es heißt. Und, ganz ehrlich, wenn ich Zahnweh habe oder einen akuten Blinddarmdurchbruch, gehe ich selten zum Philosophen ums Eck, sondern meistens zu einem Mediziner oder einer Medizinerin. In meiner Bubble sagen übrigens alle, tatsächlich alle Mediziner und Wissenschaftler, dass es deutlich besser ist, sich gegen Covid impfen zu lassen als Pferdepharmazie zu verwenden.

Oberösterreich ist eins meiner liebsten Bundesländer, neben Vorarlberg, Tirol, Salzburg, der Steiermark, Niederösterreich, Kärnten, dem Burgenland und meinem geliebten Wien. Ich mag es, wie langsam Oberösterreicher reden. Aber denken sie auch langsamer? Das frage ich mich, seit ein Freund mir von einem Besuch in einem Linzer Einkaufszentrum berichtet hat. Im sehr gut besuchten Einkaufszentrum gab es eine Durchsage: „Ein Besucher hat Corona und muss in häuslicher Quarantäne sein. Wir kennen Ihren Namen. Bitte kommen Sie umgehend zum Infoschalter!“

Mein Bekannter kam kurz darauf am Infoschalter vorbei, wo zwanzig Menschen standen.

Vielleicht wussten diese Menschen nicht, dass man mit einer Coronainfektion nicht durch die Gegend laufen sollte. Vielleicht dachten sie: was soll’s, ich hab eh heut im Stall dem Pony sein Entwurmungsmittel weggefressen. Und der Kickl hat gesagt, das ist eine Diktatur. Wenn ich nicht mal verseucht ins Einkaufszentrum darf, bin ich ärmer dran als Sophie Scholl und Anne Frank. Die Fronten sind verhärtet und natürlich sollte jeder von uns auf den anderen zugehen. Ich versuche es immer mal wieder und tu so, als ob QAnon eine ernsthafte Wissenschaft sei. Ja, natürlich könnte es sein, dass wir von kinderfressenden Echsen regiert werden, die sich als Menschen verkleiden, aber wahrscheinlicher ist es, dass wir nicht von kinderfressenden Echsen regiert werden. Meine Lieblings-Kreuz-und-Quer-Denkerin-Begegnung verlief übrigens so:

„Haben sie sich schon mal folgendes überlegt“, sagte sie zu mir, als ich versehentlich in eine Demonstration am Ring geraten bin. „Pizza.“ Ich dachte, sie würde jetzt auch über diese Pizzeria in Washington sprechen, in deren Keller der Eingang zur Unterwelt der Echsen sei. Ein Bewaffneter QAnon-Fan war in diese Pizzeria eingebrochen und wollte die Kinder befreien, leider gab es keinen Keller. Aber, nein. Ihr ging es um etwas anderes. „Wir bestellen Pizza. Die Pizza kommt in einem viereckigen Karton. Die Pizza selbst ist aber rund. Und wir schneiden sie dann in Dreiecke!“

„Und?“ Ich blickte sie verwirrt an.

„Ja“, sagte sie siegessicher. „Kann das Zufall sein?“ Aus ihren Nasenlöchern krabbelten Pferdewürmer.


Dirk Stermann
kolumniert seit ­Jahren im WIENER, heißt wöchentlich Österreich ­willkommen und ist erfolgreicher Autor.