AKUT

Helmut, Herbert und Heinz

Drei Menschen, die nicht nur den österreichischen Journalismus maßgeblich beeinflusst haben, sondern auch die Kindheit und Jugend einer gesamten motorbegeisterten Generation prägten, haben vielleicht nicht ganz zufällig ähnliche Vornamen. Die Rede ist von Helmut Zwickl, Herbert Völker und Heinz Prüller. Eine Hommage an gepflegte Schreibe, nonchalant weitergegebenes Hintergrundwissen und vielleicht auch ein bissl an die gute alte Zeit.

von Franz J. Sauer

Es ist der Duft von frischem Backhendl, den ich zunächst mit der Stimme von Heinz Prüller verbinde. Backhendl, schee aussebochn, mit Kartoffelsalat dazu und Bratkartoffeln. Das war ein typisches Sonntagsessen im Hause Sauer. Dazu lief in der wärmeren Hälfte des Jahres bisweilen der Formel-1-Grand Prix im Fernsehen. Der Soundtrack dazu war, neben Motorengeräusch, eine der unverkennbarsten Stimmen, die der ORF je vor Mikrofone ließ. Man musste eigentlich gar nicht hinschauen, um zu wissen, was gerade vor sich ging, in Monaco, Monza, Silverstone, Hockenheim oder sonstwo so; alleine die Tonhöhe von Heinz Prüllers Stimme stellte unmissverständlich klar, ob gerade Spannung angesagt war oder eher fades Im-Kreis-Fahren lief. Was keinesfalls zu bedeuten hatte, dass in der FS2-Moderatorenkabine Ruhe aufkam

Wenn nix los war, erzählte der Heinz eben von früher, kramte in jenem unfassbaren, stets abrufbaren Erinnerungsschatz, der, hätte Prüllers Gehirn einen USB-Anschluß, viele tausend Terabyte belegen würde. Immer gab er bereitwillig rarste Infos zum Rennsport und zu seinem weitesten Umfeld weiter, die man nur ihm erzählt hatte, und die er uns TV-Zusehern gerade quasi geheim weitergab, auf dass wir sie selber nicht weitererzählten.

Bis dann das Renngeschehen wieder ein energisches „Uiuiui!“ erforderte und der Nation daheim vorm Fernseher der Atem stockte. Zumeist umsonst gottlob, denn vor allem wenn einheimische Nikis oder Gerhards oder Karls im Starterfeld waren, reichte für gutturale Prüller‘sche Hysterie auch bloß ein unangekündigter Boxenstopp der Genannten.

Am 30. April 2025 wurde Heinz Prüller 84 Jahre alt, er lebt zurückgezogen in Wien. Und wenn man den gelegentlichen Bulletins aus seinem engeren Umfeld glauben darf, ist es eine bittere Ironie des Schicksals, dass sein geliebtes Pickup, „Sie erinnern sich sicherlich …“ in Bezug auf Prüllers eigenen Festplattenzugriff nicht mehr uneingeschränkt gilt.

Helmut Zwickl: Als die Formel 1 fad wurde, erfand er sich seine eigene Rallye.

Helmut Zwickl würde am 30. Oktober seinen 86. Geburtstag feiern, leider ist er am 9. Februar von uns gegangen. Zwickls Berichte im „Kurier“ am Montag nach dem Rennen oder in der „Autorevue“ des nächsten Monats waren stets die weiterführende, vertiefende Lektüre nach dem Prüller‘schen Livereport. Dort standen dann die Hintergründe zum besseren Verständnis des Renngeschehens, in eklektischen Wortwitz geschmiedet, von unendlicher Wissens-Tiefe, die sich Zwickl stets unter vollstem Einsatz erarbeitete. Er schrieb nichts, was er nicht aus erster Hand wußte, auch war ihm die Floskel „exklusiv“ wenn schon nicht verhasst, dann zumindest unsympathisch, vielleicht auch weil sie Heinz Prüller (mit dem ihn sicher keine Freundschaft, aber doch gegenseitiger Respekt verband, wie sagte er immer: „Der Prüller und ich gehen auf den selben Berg, aber wir sind keine Seilschaft.“) zeitweise inflationär verwendete.

Journalisten wie Zwickl und Prüller waren im Formel-1-Zirkus keineswegs Bystander. Sie waren „fully embedded“, wie es so schön heißt, mittendrin statt nur dabei. Von Teamchefs, Fahrern und Veranstaltern hochgeschätzt, bis hinauf zu einem gewissen Bernie Ecclestone, der dem Helmut anlässlich seines 75ers sogar den für alle Zeiten und ewig gültigen Backstage-Pass für alle F1-Rennen ausstellte. Allerdings war Zwickl da nicht mehr mit dem Zirkus unterwegs, also holte er sich das Teil gar nicht erst ab …

Oft wurde in den zahlreichen Nachrufen der letzten Wochen erzählt, dass die 560 Grand Prix, von denen Helmut Zwickl live berichte hatte, großteils in Zeiten stattfanden, in denen pro Saison noch ein, zwei Rennfahrer verstarben. Womit man immer auch schnell bei Monza 1970 landet, wo im Samstag-Training Helmuts persönlicher Freund Jochen Rindt verstarb. Solche Ereignisse sind die Sweetspots in einer Journalisten-Karriere, die einen zu regelmäßigen Anlässen zuverlässig einholen. Sag mal Helmut, wie war das damals, als der Jochen in Monza …

Natürlich wußte Helmut Zwickl Bescheid. Und wenn Du ihm sympathisch warst, dann begann er auch zu erzählen, wort- und bildreich, gespickt mit dialektischem Charme und auch immer mit einem zünftigen, „bleden Schmäh“ zwischendurch. Vor allem konnte er aber, wenn er genügend Zeichen zur Verfügung hatte, gerade von unspektakulär verlaufenen Rennen mitreißend berichten. Speziell dann kamen seine herausragendsten, journalistischen Fähigkeiten zum Tragen: Die Detailliebe, mit der er es verstand, technische Zusammenhänge zu erklären. Die mit sensibler Beobachtungsgabe garnierten, scharfen Blicke hinter die Rolläden der Team-Boxen, wo sich vor allem dann, wenn im Rennbetrieb nix weiterging, menschliche Tragödien abspielten. Und ein zumeist recht untrüglicher Seismograph in Hinblick auf aufstrebende Autos, Teamchefs oder auch Fahrer-Talente. Dass er ausgerechnet einem Niki Lauda während seiner MARCH-Anfänge 1972 eher wenig Chancen auf eine große Karriere gab, bestätigt sozusagen die Regel.

Als ihm die Formel 1 mit ihren Drehkreuzen, Zugangsberechtigungen und PR-Vorgaben zu klinisch wurde, erfand sich Helmut Zwickl kurzerhand selbst ein Motor-Festival, das nach seinen Vorstellungen ablief. Die Ennstal-Classic wurde nicht nur zu einer der international renommiertesten Klassik-Rallyes, sie gilt auch heute nach über 30 Jahren als alljährliches Hochamt für Freunde klassischer Automobile und den beherzten Umgang mit ihnen. Und sie schafft, ganz im Geiste ihres Gründers (dessen Spirit ja von seinem Partner Michael Glöckner und dem Rest der Family befeuert und weitergelebt wird) auch das Kunststück, über Generationen-Grenzen hinweg zu funktionieren. Während das Auto medial zielsicher zum Hauptfeind der Jugend hinideologisiert wird, zeichnen Events wie die Ennstal-Classic ein eher gegenteiliges Bild. Dort begeistern sich auch Menschen um die 25 für Oldtimer und alles was mit ihnen zu tun hat, was sie alljährlich leibhaftig, aber auch in Begleitung ihrer reichweitenstarken Social Media-Auftritte nach Gröbming lockt. Heuer übrigens von 16. bis 19. Juli

Herbert Völker – der Doyen der deutschsprachigen Motorpresse. Und das Sprachrohr des Weltmeisters.

Herbert Völker wurde mit der Ausgabe 6/1967 Chefredakteur der damals gerade zwei Jahre alten Autorevue (Motorsportfunktionär Martin Pfundner hatte sie gegründet, mehr als Chronik des heimischen Motorsport-Geschehens denn als Geschäftsidee). Zwickl war schon ab Ausgabe 1 an Bord gewesen, Prüller kam mit Völkers zweiter Ausgabe dazu, deren Editorial zwar ein Bekenntnis zur Motorsportliebe, aber auch dazu, „keine reine Motorsportzeitschrift sein zu wollen“ abgab.

Völker (Geburtstag: 30.9.1943) war damals Rallye-begeisterter Sportredakteur, stieß zunächst ohne Langfrist-Perspektive zur Autorevue, schließlich lag noch Unbill wie etwa der Präsenzdienst zwischen ihm und der weiteren Karriereplanung. Spult man nun im Schnellvorlauf weiter, liest sich die Story des von Völker dann doch über 30 Jahre lang geprägten Mediums wie eine Traumsequenz für Autofreaks. Dass ein Special Interest-Magazin wie die Autorevue zum erfolgreichsten Monatsmagazin Österreichs werden konnte, also in Reichweiten- und Leserzahlen vor allen anderen Publikumsmagazinen (auch vorm WIENER, am Peak anfang der 1990er), ist wohl weltweit einzigartig. Vielleicht, weil es Völker nie darum ging, bloß Benzinbruderschaft zu pflegen. Es ging immer um die gute Geschichte, das gepflegt gedengelte Wortgebilde, im Zusammenspiel mit schönen Fotografien, und das Thema waren halt zufälligerweise – und schließlich auch nicht immer – Automobile.

Dass Herbert Völker quasi nebenher mit dem Corporate-Titel „DINERSCLUB-Magazin“ eine der renommiertesten Lifestyle-Publikationen der 1980er-Jahre herausgab, stellte seine redaktionelle Weitsicht unter Beweis. Und hätte man ihn zur Jahrtausendwende weiter ausbauen lassen, was er gerade anstartete, nämlich eine mehr als amtliche Online-Seite zum Printtitel dazu, die Autorevue mit .at dran wäre heute eine der erfolgreichsten Online-Publikationen im deutschen Sprachraum, vielleicht ebenfalls nicht nur im Motorbereich.


Am Sonntag Prüller im Fernsehen, am Montag Prüller (Krone) und Zwickl (Kurier) in der Zeitung, am Monatsanfang Prüller, Zwickl und rundherum viel Völker in der Autorevue. Fairnesshalber sei hier noch die alljährliche, Prüller’sche „Grand Prix Story“ zu erwähnen, die traditionellerweise unterm Christbaum lag. All die wunderbaren Zwickl-Bücher (über Menschen wie Jochen Rindt und Dieter Quester, den Rennsport im Allgemeinen und die damit verbundenen Leidenschaften im Speziellen) oder Standardwerke wie die Lauda-Biografien aus Völkers Feder (deren Jüngste erschien erst im Vorjahr, der WIENER berichtete, das Buch „Meine Story“ von 1985 wurde vor allem in der englischen Version unter dem Titel „To Hell and Back“ zum weltweiten Bestseller) wünschte man sich unterjährig, irgendwann ist ja auch mal Geburstag und Ostern. Zur soliden Autobegeisterung badete man in meiner Adoleszenz jedenfalls in einem wohlsortierten schriftstellerischen Umfeld.

Die Autorevue. Bis heute, aber vor allem damals ab 1967 das inhaltliche Zentralorgan für alle Fragen rund um den Motorsport, hedonistischen Lifestyle im Allgemeinen und das Automobil im speziellen. Inhaltlich geprägt wurde das Magazin über Jahrzehnte von Herbert, Helmut und Heinz.

Herbert Völker (1943-2025)

Noch vor kurzem bat mich Herbert Völker, ihm eine Ausgabe des aktuellen WIENER zukommen zu lassen, in dem diese Story hier erschienen war. Natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, das Heft persönlich zuzustellen, keine zwei Stunden später erhielt ich zum Dank die wichtigste Mail meiner bisherigen Medien-Tätigkeit. Er, Herbert Völker, gratulierte mir in seiner eklektischen Art, sich auszudrücken, per Mail zum „schönen Heft, das wir machen.“ Mehr geht nicht. Zumindest für mich nicht.

Als ich mich 1997 um einen frisch ausgeschriebenen Redakteursposten bei der Autorevue bewarb und vom damaligen Herausgeber Völker persönlich kontaktiert und zu einem Vorstellen in der Redaktion eingeladen wurde, stand ein Kindheitstraum von mir an der Schwelle zur Erfüllung. Mein Text war unter die besten fünf der Ausschreibung gekommen, der Traum selbst, nämlich den Job zu kriegen, blieb allerdings an der Schwelle hängen. Dennoch, Völker hatte mein Text gefallen, gewissermaßen, immerhin.

Ab da wußte ich, ich könnte es mit dem Schreiben zumindest probieren. Für mich hatte es da nämlich immer nur eine Meßlatte gegeben – Vö himself. Seine Art zu schreiben, Texte aufzuschlüsseln, wie einen Film zu inszenieren, dabei aber trotzdem stets sprachlich leichtfüßig und inhaltlich verständlich zu bleiben, definierte für mich die hohe Kunst der Magazin-Schreibe. Die einer wie Völker scheinbar auch all seinen Auszubildenden, also späteren Hochkarätern wie Skarics, Hofbauer, Staretz, Wagner, Kornherr, Sperl, Jessner, Strubreiter und vielen mehr, ohne Reibungsverluste weiterzugeben verstand.

Drei Jahre später landete ich beim WIENER, in einem nicht minder hochkarätig besetzten Team (Fehringer, Sax, Reismann, Klimek, Biron, Lauth, Reimon), das mich ebenfalls nicht nur in seinen Kreis freundlichst ein-, sondern auch am versammelten Wissensschatz teilhaben ließ, vor allem was das Wesen und die Inhalte eines Zeitgeistmagazines betrifft. In Hinblick auf den Motorjournalismus aber blieb stets der von Herbert Völker geprägte Stil Maßstab für mich. Bis heute nehme ich mir, bevor es ein Motorthema redaktionell abzuhandeln gilt, einen (meist älteren) Vö-Text zur Hand, groove mich mit ihm aufs Schreiben ein. Eine Strategie, die fast immer funktioniert, zumindest so weit, um ein weißes Blatt Papier weitgehend sinnhaft zu beschwärzen.

In seiner jüngsten Lauda-Biografie „Niki“ vom letzten Herbst schrieb Herbert Völker im allerletzten Absatz: „Wenn Niki unvermittelt vor mir auftaucht, sehe ich ihn gern im roten Polarforscher-Anorak, der war in der Stadt so erfrischend absurd. ‚Du gehst uns ab, Niki’, würde ich sagen. Es ist logisch würde er sagen. Wennst net lebst, bist nimmer da. Ich würde heftig widersprechen, er würde es gut sein lassen. Der G’scheitere gibt nach. Wie eben unsere Rederei über fünfzig Jahr so lief.“

Nun ist auch Herbert Völker nimmer da. Gegangen, während der WIENER, in dem die Story über ihn, Helmut und Heinz steht, noch am Kiosk liegt. Sie war eigentlich nur für einen der drei als eine Art Nachruf gedacht.

Aber scheinbar sind im Himmel da droben (oder wo auch immer …) gerade die Chronisten, Journalisten, Biografen knapp geworden. Also hat sich der Herrgott (oder wer auch immer …) den besten geholt, ruckzuck, von jetzt auf gleich, her mit ihm. Ein kleiner Trost: womöglich wird schon am nächsten Buchprojekt gearbeitet. Mit dem Niki, dem Jochen, dem Helmut, dem Teddy oder irgendwelchen anderen Größen aus längst vergangenen Epochen, die uns hier herunten bisweilen so schrecklich schirch abgehen.

„Mach halt kan Bledsinn“ gabst Du mir einst schmunzelnd zu verstehen, als ich etwas zu ausschweifend, vielleicht eine Prise zu unterwürfig, jedenfalls bissl zu nervend danach fragte, wie wir einen Text von Dir im „Roadbook“ der Ennstal-Classic grafisch gestalten sollten. Ich nehme mir diesen Ratschlag weiterhin zu Herzen. Und sorry abermals fürs Ausschweifen.