Film & Serie
Binge-TV: im Schatten von Spacey: Battle der Bitches
Wer tötete Ex-Präsident Francis Underwood? Simple Antwort: #metoo. Dennoch dominiert Kevin Spacey die finale Staffel von House of Cards. Wie ein Moloch, in dessen Schatten ein Duell der zwei Top-Bitches die wenigen Höhepunkte liefert.
Text: Manfred Sax
Es dauert ein paar Episoden, bis sie in den Clinch gehen: „Claire“ Robin Wright, Präsidentin der USA und Witwe des Ex-Präsidenten Francis Underwood, und „Anette“ Diane Lane, Vorzeigefrau eines Industrie-Konglomerats, das offenbar die US-Politiker an den Eiern hat. Außerdem sind die beiden laut Drehbuch alte Freunde, von klein auf versteht sich. Das Dumme ist nur, dass in den vorangegangenen fünf Staffeln – immerhin 65 Episoden – nie von „good old Anette“ die Rede war.
Das heißt auch, dass die Skriptschreiber eine ganze Menge retroaktiver Inszenierungen hinzulegen hatten. Das Narrativ wies plötzlich Löcher auf, die es zu flicken galt. Die bislang fehlende Anette war das kleinere Problem. Das riesige war der Krater, den der Abgang von Kevin Spacey hinterlassen hat. Nach #metoo ein notwendiger Aderlass, klar. Aber wie sollte es nun weitergehen, ohne das korrupte Rückgrat der Serie, die es dank ihm auf fünf Staffeln brachte; ohne seine dominante Präsenz, an dessen Seite die statueske Gattin Claire gerade noch auszuhalten war. Schwer zu sagen, ob Robin Wright die Rolle von Missus Underwood von Anfang an als die einer Frau mit dem Charisma eines Hydranten angelegt hat, aber sie sah scheinbar keinen Grund, das zu ändern, nun, da sie Präsidentin ist und einzig verbleibende Protagonistin der Serie. Die anderen Darsteller mit Binge-Credibility – Kate Mara als umwerfendes Miststück Zoe Barnes, Corey Stoll als kokainsüchtiger Kongressmann Peter Russo usw. – hatte man schon lange abgemurkst. Und das eine verbliebene Altkaliber Doug Stamper (Michael Kelly) ist ohne Spacey leider nur so was wie ein Kettenhund ohne Herrl.
Kurz: Die finale Staffel von House of Cards, obwohl dankenswerterweise von 13 auf 8 Episoden gekürzt, ist dennoch ein überlanges Nicht-Ereignis, das nur einmal abhebt: Als Anette in der Toilette der alten Freundin Claire genüsslich erzählt, dass auch sie es mal mit ihrem verblichenen Gatten getrieben hat, und dann auch noch diskutieren will, ob der Alte immer schon „diese Probleme im Bett“ hatte, kommt ein Hauch von Hoffnung auf. Auf eine coole Battle der Bitches oder was, zumal ja Ms Lane in den Vorab-Interviews betonte, wie sehr sie es genoss, endlich mal eine richtige Bitch spielen zu dürfen. Nur blieb Kontrahentin Robin Wright weiterhin bei ihrem der Claire-Rolle zugedachten schauspielerischen Vokabular von A bis B.
Ein Jammer, in Wahrheit. Denn die TV-Serie House of Cards hat heute medienhistorische Gravitas. Es ist die erste Eigenproduktion von Netflix, wurde im Februar 2013 erstmals ausgestrahlt, also anno Obama. Hier eine Empfehlung: Die ersten beiden Staffeln sind es wert, noch einmal genossen zu werden. Nicht nur, weil das (fantastische) Drehbuch im Licht der aktuellen Situation wesentlich mehr Sinn macht. Vor allem aber, weil leicht vergessen wird, wie genial die Serie anfangs war. Als Francis Underwood/Spacey noch sagen durfte, dass er seine Claire liebt „wie der Haifisch das Blut“, und bei Zoe Barnes locker auf „Sex für Information“ pochen konnte. Und dann war da noch Kokser Russo, der vor einem Kunden bei einem Anruf seiner Sekretärin so tat, als wäre sie der Präsident. Also flüsterte die Sekretärin: „Ich will, dass du deine Zunge zwischen meine Schenkel steckst, bis ich quieke wie Monica Lewinsky“. Und was sagte Russo darauf? „Me too, Mister President“, sagte er. „Me too.“ Na?
House of Cards
Staffel 6, mit Robin Wright, Diane Lane, Michael Kelly und dem omnipräsenten Schatten von Kevin Spacey; auf SKYpayTV.
Die Staffeln 1-5 sind weiterhin auf Netflix konsumierbar.