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Thema: Treue und Sex – Geh bitte …

Es gibt tatsächlich Menschen, die das Verdikt „Treue“ in zwi­schen­menschlichen Fragen über alles stellen. Dabei gibt es wesentlich wichtigere Parameter, die gute ­Beziehungen ausmachen. Sollten.

von Hans Hoseph Hauer / Fotos: Jaqueline Sappert

Da hast Du also die Richtige gefunden, schön, ma, wie fein!“ Ehrlich? Sechs Richtige im Lotto wären mir lieber. Weil – was heißt es denn, die Richtige gefunden zu haben (und ich gendere hier nur deshalb nicht, weil ich halt nur auf Mädels stehe. Aber natürlich kann hier jeder seine persönlichen Präferenzen verstanden wissen)? Nichts anderes, als dass man verliebt bis über beide Ohren in einem rosa Oxytocin-Rausch steckt, viel öfter an die letzte Nacht als an die nächsten 20 Jahre denkt und überhaupt so ziemlich unzurechnungsfähig dahertaumelt. Fragen Sie mal einen Ehemann nach 20 Jahren, ob die ihm per Gesetz Angeheftete noch immer die Richtige ist – ich würde die Chance auf einen positiven Bescheid auf etwa 20 Prozent einschätzen. Und wenn, dann auch das keineswegs mehr mit dem romantischen Unterton eines Tausend-Nackte-Weiber-­Chors wie im Hintergrund bei einem Eigh­ties-Schmalzpophit. Sondern mit der soliden Erkenntnis, sich formidabel arrangiert zu haben. 

Und nein, ich mach mir da keine Illusionen: Teil dieses Arrangements ist mit Sicherheit eine Göttin, äh, Gattin, die über einiges an Unbill, den der liebe Gatte ihr anzutun so in petto hat, generös hinwegsieht. Wozu vermutlich, oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, auch der eine oder andere Seitensprung, welcher Sturmstärke auch immer, gehört. Sie fragen, wo man so eine Göttin denn heutzutage noch finden könnte? Gute Frage, nächste Frage. Weil: Ich habe keine Ahnung. 

Tatsächlich haben sich die Para­meter der Eigenschaft „Treue“ aus Sicht der geschätzten Damenwelt eher in den roten Bereich verschoben. Hast Du Dich früher mit eingezogenem Schwanz (bildlich ­gesprochen!) und allerlei Entschul­digungsgewimmer dafür recht­fertigen müssen, von ihrer besten Freundin beim Dinner in falscher Begleitung erwischt worden zu sein (obwohl Du offiziell beim Bowling warst), so reicht heute schon für einen rechtschaffenen Knatsch, dass Dich die p.t. Freundin auf ­Tinder erwischt hat. Das bloße Vorhandensein Deines Konterfeis ebendort reicht für handfeste ­Empörung, nicht nur im Boudoir, sondern gleich auch auf Facebook. Inklusive reger Zustimmung all der anderen Empörtinnen in den Kommentaren. Und nein, stichhaltige Beweise, schon längst nicht mehr irgendwo nach rechts gewischt zu haben, geschweige denn irgendjemanden von dort getroffen zu haben, kannst Du Dir ­picken. Dein Profil war bloß (noch) nicht deaktiviert. That’s all.

Eifersucht. Eine der widerwärtigsten und zugleich unnötigsten Gefühlsregungen, zu der wir Menschen fähig sind. Wie vielfach fälschlich angenommen ist die sogenannte „gesunde“ Eifersucht nämlich nicht der nötige Widerpart zur heiligen Treue. Sie steht au contraire für ganz andere Eigenschaften ihres stolzen Trägers, als da wären: Mangelndes Selbstvertrauen, ausufernde Langeweile oder, most widerwärtigly, ausgeprägtes Besitzdenken. Du gehörst mir, also darf Dich keine andere haben. Echt jetzt?

Witzig auch: Die meisten Menschen, die gerne in Sakkotaschen, Geldbörsen oder Whatsapp-Chats ihres ach so geliebten Lebensabschnittspartners nach Untreue-­Indizien stöbern, bezeichnen sich selbst stets voll Inbrunst als Atheisten. Mit dem Christentum hätten sie nichts am Hut, eher im Gegenteil, wie könnte ein aufgeklärter, vernünftiger Mensch überhaupt an so etwas Trivialem wie Religionen festhängen. Hm – das mit der Mono­gamie ist dann aber schon eine Erfindung der Kirche gewesen, oder etwa nicht?

Nun ja, nicht ganz. Generell hat schon die Evolution ein Wörtchen dabei mitgetratscht, als es dem Menschen das monogame Wesen eingepflanzt hat. Schließlich wächst so ein Homo Sapiens Pamperletsch wesentlich langsamer heran als, lets say, ein Tigerbaby oder ein frischgeschlüpfter Adler. Da braucht es dann schon ein gewissermaßen trautes Heim, um den entsprechenden Jugendschutz zu gewähren. Und weil die Mama in der Zeit, in der sie das Junge hutscht, sich wohl kaum selbst versorgen kann, kümmert sich der Papa in seiner Ur-Eigenschaft als Jäger um die liebe Familie. Bei der Frage, ob er beim Jagen nicht vielleicht sogar mit dem Sanktus der stolzen Mama den Verlockungen irgendwelcher anderer Urmensch­innen in testo­steronschwangerer Leidenschaft erliegen durfte, stottert die Überlieferung aus der Urzeit allerdings wie ein Handy im Funkloch. Was freilich allerlei Interpretationsspielraum bereithält. 

Ganz schlimm wird es übrigens, wenn Treue von der angenehmen Begleiterscheinung zum Hauptfeature einer Beziehung wird. Etwa bei folgender Versuchsanordnung: Sie war schon des öfteren unsterblich verliebt in irgendwelche Typen, guter Sex und super Gesprächsbasis inklusive. Bloß treu waren sie nie besonders. Oder sie haben sich beim Auftauchen der ersten, ansehnlichen Alternative verlässlich weggehostet, was stets eine Verlust-Trauerphase triggerte, die länger dauerte als die ganze Beziehung zuvor. Nach ein paar Jahren des verpflichtungsfreien Herumgeisterns taucht dann er auf: praktisch, unprätentiös, klein, unscheinbar, brav, gescheit, unspektakulär. Partiell herzeigbar, aber am Schmäh haperts ein bissl. Sex? Ja eh auch. Aber: Er bleibt ihr, für immer. Danke, das reicht.   

Hm. Dann doch lieber Single bis in alle Ewigkeit. Oder der aufregende Sidestep in obengenannten Fällen. Männer, bleibt Euch treu. Scheißts Euch nix, vergönnt’s Euch was. Nutzt den Sommer, der ganz sicher keiner wie damals ist. Wer weiß, was den Anführern der freien Welt noch alles einfällt, „gegen die Bibel“ zu sein? Vielleicht ist außereheliches Herumtun inklusive Flirten und Dings, am End sogar das „Killen“ von Spermien durch deren Absonderung in einen Danzerschen Tschurrifetzen bald mal auch verboten in unseren Breitengraden. Vorher sollte man noch bissl schauen, wo man bleibt. Oder man liest nach bei Manfred Sax, ein paar Seiten weiter …  

Ausgabe Nr. 450! Check dir doch dein ABO für uneingeschränktes Lesevergnügen im Sommer 2022/Print on the beach/Print zu Hause/Print wo immer du willst … Model: KALINKA KALASCHNIKOW/Foto: Antonia Beatrice Gruber