KULTUR

WIENERpedia 2020 – Was wird aus Bogdan Roščić?

Der WIENER macht sich Gedanken, wie Wikipedia-Einträge weitergehen könnten. Diesmal: Bogdan Roščić.

Text: Markus Höller / Foto: Manfred Klimek

Was bisher geschah …
Nach der Wahl von Monika Lindner zur neuen ORF-Generaldirektorin verließ Bogdan Roščić den ORF und wechselte als Managing Director zu Universal Music Austria. 2003 wurde er künstlerischer Leiter der Deutschen Grammophon Gesellschaft in Hamburg. 2006 übersiedelte er nach London als Managing Director des renommierten Klassik-Labels Decca, das Weltstars wie Anna Netrebko, ­Rolando Villazón, Cecilia Bartoli oder Alfred Brendel vertritt. Ab April 2009 wechselte Roščić zu Sony Music Classical in New York. In der neu geschaffenen Position eines President war seine Aufgabe, die Klassik-Sparte des weltweit zweitgrößten Musikkonzerns auszubauen. Im Dezember 2016 wurde Bogdan Roščić als designierter Nachfolger von ­Dominique Meyer an der Wiener Staatsoper bestimmt.

Aktualisiert am 22.2.2020
Aufgrund des großen Medienrummels rund um die überraschende Bestellung Bogdan Roščićs entschied sich Sony Classical Music in New York im April 2018 zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags, über die Abfindung wurde Stillschweigen vereinbart. Roščić, der von da an noch zwei Jahre bis zum Antritt des Direktorsposten an der Wiener Staatsoper Zeit hatte, zog sich zur Ideenfindung zurück.

Im September 2018 schließlich überraschte Roščić die Musikwelt mit einem radikalen Konzept, das bereits zwei Monate später mit dem Spatenstich in die Tat umgesetzt werden sollte: Das ikonische, durch die NATO-Angriffe 1999 schwer beschädigte und seither brachliegende Verteidigungsministerium in Belgrad wird in ein postmodernes Konzerthaus umgebaut. Dabei soll der als „Symbol der unbeugsamen serbischen Wehrhaftigkeit“ bezeichnete martialische Charakter des Gebäudes äußerlich erhalten bleiben, während innen eine der modernsten ­Klassik-Spielstätten Europas entsteht. Diese spektakuläre Fusion aus der Kriegslast des vorigen Jahrtausends und klassischer Musik soll 2025 fertiggestellt werden, die Grundsteinlegung sollte aus symbolischen Gründen am zehnten Jahrestag des Bombardements stattfinden.

Bloß Künstler und Musiker aus Serbien fehlten dem ersten veröffentlichten Spielplan.

Entscheidend für das Bauvorhaben ist unter anderem auch die Beteiligung der STRABAG, deren Chef Hans-Peter Haselsteiner als glühender Kunstförderer auch private Mittel einbringt. Roščić fungierte nicht nur federführend für die Gesamtidee, sondern konnte dank seiner Kontakte in der Klassikszene bereits verbindliche Vorverträge für Gastauftritte der Berliner Philharmoniker, von Yo-Yo Ma und ­Natalie Dessay fixieren. Eine Zusage der New Yorker Philharmoniker ist angesichts der belasteten Vorgeschichte USA–Serbien noch fraglich. Bloß Künstler und Musiker aus Serbien fehlten dem ersten veröffentlichten Spielplan.

Im Sommer 2019 entging Bodgan Roščić knapp einem skurrilen Anschlag auf Leib und Leben; in einer als Geschenk getarnten Geige wurde ein Sprengsatz versteckt, der durch die erste Berührung der Saiten mit dem Bogen zur Explosion gebracht wurde. Ein beigelegtes Bekennerschreiben verortete die Urheber des Anschlags in Absolventenkreisen der bekannten Belgrader Musikschule ­Stankovic, die sich „nicht einfach so mit dem Ausschluss aus dem Kulturleben ihrer Heimat zufriedengeben würden wie dereinst die österreichische Popszene“. Roščić blieb weitgehend unverletzt, erlitt bei der Explosion aber einen temporären Hörsturz, was ihn bei der Führung der Wiener Staatsoper „kaum beeinflusst“, wie er selbst bekannt gab.