Stermann: Mein Frisör hat’s schwör

Dirk Stermann philosophiert über die Haartracht der Politiker…

Von Hitlers verkehrtem Scheitel und Straches gegelter Halbglatze, von einem Skihead mit Hare-Krishna-Matte und Vorne-Kuh-und-hinten-Lama-Typen, von anderen Warzen und einem armen Hund, der eine Trabi-Attacke locker-flockig überlebte. Kurz: Diesmal wird’s echt haarig.

„Strache hat einen so hohen Haaransatz, dass ich von einer Halbglatze sprechen würde“, sagte ein befreundeter Friseur zu mir. Wir saßen in meinem Trabi, den ich einen Tag vor dem Mauerfall von einem Ostdeutschen gegen eine Banane getauscht habe. Das war Pech  für den Ossi. Am nächsten Tag hätte er selbst ganze Stauden kaufen können, aber er war so bananengeil, dass ich seit 1989 den knatternden Zweitakter fahre. Mein Friseur fährt auch einen Trabi. „Aus Trabition fahr ich Trabi“, sagt er. „Also gelt er sich die Glatze?“ fragte ich den Fachmann. „Was?“ schrie er. Im Inneren des Trabis lärmte es wie in der Hölle. Bei der Konstruktion des Trabanten gab es keine Sounddesigner und Geruchsdesigner gab’s auch nicht. Der Trabant ist im Vergleich zu einem heutigen Auto etwa so wie ein Punkt-Punkt-Komma-Strich-fertig-ist-das-Mondgesicht im Vergleich zu einem fotorealistischen Werk von Gottfried Helnwein. Mein Trabi hat Ähnlichkeit mit einem Auto, ist aber keins.

Hairgott, diese Namen!

„Strache sieht aus wie einer der Baldwin-Brüder. Und zwar wie der, der immer auf den Bildern ganz rechts steht“, sagte mein Bekannter, dessen Frisiersalon „Ein haariges Unterfangen“ heißt. Ein so bescheuerter Name, dass ich mehrere Jahre lang jeden Kontakt mit ihm abbrach. Schließlich wurde ich altersmilde und mir wurde klar, dass Friseure sich pseudokreative Salonnamen ausdenken müssen, weil ihre eigentliche Arbeit furchtbar ist. Schuppige Kopfhäute massieren, fettige Splisszöpfe bürsten, graue Haarnester auseinanderreißen, Glatzen wie Halbglatzen aussehen lassen. Ohrenhaare zwischen Schorf und Eiter kürzen, Augenbrauenbüschel von schwitzenden Stirnen wischen. Wer das machen muss, tagein, tagaus, der muss sich „Hairgott“ nennen.

Mein Bekannter hat Warzen auf dem rechten Daumen und dem rechten Mittelfinger, weil beide Finger seit Jahren in
der Schere stecken. Die Schere reibt die Haut, die sich mit Blasen wehrt, die dann zu Warzen werden. Durch die Chemie,
die er den Kunden ins Haar schmiert, ist die Haut seiner Hände chronisch gerötet. Seine Hände sehen aus, als wären sie in einen Senfgasangriff geraten. „Vokuhila“, sagte er. „Vorne kurzsichtig, hinten langweilig!“ „Vorne Kuh, hinten Lama“, antwortete ich und er nickte mit ernstem Blick, als hätte unser kleiner Dialog irgendeinen Sinn gehabt.

„Ich hab einen Skinhead frisiert. Er wollte kahlgeschoren werden, ich hab ihm aber hinten ein Büschel Haare stehen lassen!“ „Wow“, sagte ich anerkennend. „Du bist ja so was wie die Sophie Scholl der Friseure. Du hättest Hitler wahrscheinlich den Scheitel andersrum gekämmt. Respekt!“ „Der Skinhead sah aus wie eine Hare Krishna-Jünger. Nur
ohne gelben Umhang.“ „Naja, Hare-Krishna-Typen haben auch ganz selten Springerstiefel.“ Es rumpelte. Ich war über einen Hund gefahren. Ich habe hinten an meinem Trabi einen Aufkleber: „Ich bremse nicht für Tiere“, man kann mir also nichts vorwerfen. Traurig drehte sich der Friseur nach dem überfahrenen Hund um. „Dem Hund ist nichts passiert. Der steht schon wieder“, sagte er. „Das ist der Vorteil vom Trabi. Du kannst mit einem Trabi niemanden verletzen. Der Wagen tut nichts.“ Er nickte wieder traurig vor sich hin und fuhr sich mit seiner knallroten Chemiehand durchs Haar.

„Hast du dir nie überlegt, mit Handschuhen zu arbeiten?“ fragte ich ihn. „Doch. Jeden verdammten Tag überleg ich’s mir. Jeden verdammten Tag.“ „Und?“ „Dann wasch ich sie doch ohne Handschuhe. Das ist blöd. Aber was willst du machen? Trabition ist Trabition!“

Ich hielt, indem ich kein Gas mehr gab. 400 Meter lang rollte der Wagen aus. Der pfiffige Bananenossi hatte damals die
Bremse ausgebaut, bevor er mir den Trabi verkaufte. Vorm „Ein haariges Unterfangen“ blieben wir stehen. Er gab mir
die knallrote Hand und seine Warzen taten mir weh. „Danke“, sagte er. „Morgen ist mein Trabi fertig. Dieser Skinhead
hat mir fotorealistisch HC Strache auf den Trabi gesprayt. Ich hab’s übermalen lassen.“ „Was für ein Motiv?“ „Punkt
Punkt-Komma-Strich-fertig-ist-das-Mondgesicht.“ Er stieg aus und betrat das haarige Unterfangen.