Sauers Fahrtenbuch: Ein Tag am Ring

Gelegentlich tut es der Autofahrer-Seele gut, sich auf einer Rennstrecke zu bewegen. Es schärft die Sinne und lehrt einen Demut. Besonders, wenn dein ganz persönlicher Fahrlehrer Karl Wendlinger heißt.

Immer, wenn ich den Karl Wendlinger sehe, möchte ich ihn am liebsten umarmen. Erstens, weil das der späte Samstagnachmittag des 14. Mai 1994 fast unmöglich gemacht hätte, als der Tiroler in Monaco mit dem F1-Sauber bei etwa 280 Sachen die Hafenschikane seitlich nahm. Und zweitens, weil er eine der herzlichsten Persönlichkeiten im gesamten, mir bekannten Rennzirkus ist. Nicht, dass man dem „Indianer des Motorsportes“ (wie ihn Herbert Völker einst bezeichnete) seine Herzlichkeit sofort anmerken würde, im Gegenteil: Wenn es nichts zu sagen gibt, sagt ein Wendlinger auch nix. Aber wenn er etwas sagt, dann hat es Hand, Fuß und vor allem viel Sinn.

Die Tricks des Indianers

So gesellte ich mich also in der ersten Fahrpause der KTM X-BOW R-Präsentation (der nämliche Testbericht findet sich demnächst ebenfalls online) an Wendlingers Tisch, wo dieser gerade einen Müsliriegel aß und der adretten Kollegin eines deutschen Rennsport-Magazines ein paar Bremspunkte verriet. Aus ihrer Sicht war das freilich bloß ein Talk unter Kollegen, ein Austausch von Meinungen sozusagen, man war ja schließlich Expertin in allem, was Benzingeruch betrifft. Bald kam Karl auf die Remus-Kurve zu sprechen und die Frau Kollegin gab sofort bekannt, wie sie die nämliche stets zu fahren pflegt. Karl nickte wissend, Madame murmelte ein „keine Ursache“ oder sowas und ging links ab, weil ihr nächster Turn anstand. Ich aber hatte noch etwas Zeit, die ich nutzte, um den Karl doch noch auch nach seiner Meinung zum besprochenen, spitzen Winkel nach der langen Bergaufgeraden zu befragen. Sein Rezept lautete ungefähr: „Gaunz spät bremsen, spät einlenkn, Auto schnöll grodstellen, fest Gas gebn,“ was sich so ziemlich in allen wichtigen Punkten markant von dem unterschied, was wir kurz zuvor gehört hatten.

Etappensieg

Zwei Turns später hatte ich das Vergnügen, unmittelbar vor der Kollegin auf die Piste zu fahren. Für jede Rennstrecke gilt: Gleich starke Autos sind auf Geraden nicht einzuholen, wenn sie Vollgas geben. Man macht sich in den Kurven aus, wer wen überholt. Und weil die Dame mir in der Tat fahrerisch überlegen war, hatte ich sie am Ende der langen Bergauf stets formatfüllend im Rückspiegel. Die folgende Remus-Ecke fuhr ich dann so, wie sie mir der Meister erklärt hatte. Das brachte mir dann wieder jene fünf, sechs Wagenlängen Vorsprung, die aufzuholen Miss Germany stets wieder die restliche Rennstrecke benötigen würde. Zehn Runden später fuhren wir in der gleichen Formation zurück in die Box, wie wir sie verlassen hatten: ich vor ihr. Das Expertinnen-Ego war angeknackst, ich hatte mein Rennstrecken-Highlight. Und die spätere Runde am Beifahrersitz des Karl Wendlinger zeigte mir dann auch noch, dass man den X-BOW R am Red Bull Ring auch richtig schnell bewegen könnte, wenn man’s denn kann.