Leonard Cohen: And he danced with us through Vienna

Leonard Cohen begeisterte mit einem dreistündigen Konzert in der Wiener Stadthalle.

„Dance me to your beauty with a burning violin / dance me through the panic till I’m gathered safely in / Lift me like an olive branch, be my homeward dove / Dance me to the end of love“. Mit jenem Song, erschienen 1984 auf „Various Positions“, eröffnete Leonard Cohenden den Abend in der Wiener Stadthalle – der große alte Canadien Errant aus dem Tower of Song bat zum Tanz, der ganze drei Stunden dauern sollte und Cohens Werk vom ersten Album „Songs of Leonard Cohen“ (1967) bis zum Spätwerk „Old Ideas“ (2012) umfassen sollte – die soundarchitektonisch mehr als fragwürdigen Alben der Sharon Robinson-Era („Ten New Songs“, „Dear Heather“) wurden mit einer Ausnahme („Alexandra Leaving“, gesungen von Robinson) ausgespart.

78 Jahre ist Cohen mittlerweile alt, nicht mehr an den „foothills of old age“, wie er einmal sagte, sondern mittendrin, die „golden voice“ ist über die Jahre tiefer geworden, hat an Dringlichkeit aber nichts eingebüßt. Nach gravierenden finanziellen Problemen (Cohen wurde von seiner damaligen Managerin um einen Betrag in Millionenhöhe betrogen) und einem rund fünfjährigen Mönchsdasein im kalifornischen Zen-Kloster Mt. Baldy, ist Cohen seit 2008 wieder nahezu ununterbrochen auf Tour – umgesetzt werden seine Songs musikalisch von einer neunköpfigen Band, besteht aus Javier Mas (Oud, Gitarre und diverse Saiteninstrumente), Mitch Watkins (Gitarre), Neil Larssen(Keyboards, Akkordeon, Brass), Alexandru Bublitchi (Violine), Rafael Gayol (Schlagzeug), Sharon Robinson(Gesang), Charlie und Hattie Webb (Gesang) sowie dem Bandleader und Bassisten Roscoe Beck. Cohen gibt der Band genug Raum, Solopassagen sind trotz ihrer Frequenz nur selten ausufernd – streckenweise, besonders bei Javier Mas’Soli läuft der musikalische Rahmen allerdings Gefahr, allzu kulinarisch und betont gediegen daherzukommen.

Am besten ist Cohen ohnehin, wenn er zur Akustikgitarre greift und alles andere relativ reduziert verläuft: so ist das legendäre und unfassbar traurige „Chelsea Hotel No.2“ einer der Höhepunkte des Abends, Cohen bricht seinen Grundsatz „I never discuss my tailors or mistresses“ und singt seinen in der Beschreibung der (sexuellen) Tatsachen recht offensiven, von ihm ob seiner Offenheit auch bedauerten Song über seine kurze Affäre mit Janis Joplin. Die Bildschirme zeigen Cohen gealtertes Gesicht, und Cohen kommt zur Conclusio: „I don’t mean to suggest that I loved you the best / I can’t keep track of each fallen robin / I remember you well in the Chelsea Hotel, that’s all. I don’t even think of you that often“.

Drei Stunden lang lässt Cohen nahezu keine Wünsche offen, von den sprichwörtlichen „Songs of Love and Hate“ lässt er den Hass größenteils aus – dafür schenkt er dem Publikum Großes wie „Sisters Of Mercy“, „The Partisan“, „Famous Blue Raincoat“, greift dabei selbst immer wieder zur Akustikgitarre. „Hallelujah“, mittlerweile beinahe ein Standard des Songbooks und überaus inflationär gecovert (Cohen seien die Royalites vergönnt) findet einen unaufgeregten Platz gegen Ende des zweiten Sets. Für „Tower Of Song“ holt Cohen wie immer das quasi selbstspielende Casio raus, und freut sich wie eh und je verschmitzt darüber. Als er beim minimalen Solo-Melodiebogen Applaus erntet, kokettiert Cohen einmal mehr mit dem Publikum: „You are really cruel“. Bei „Take This Waltz“ wird, wie abzusehen, bei der Erwähnung Wiens frenetisch applaudiert und leider auch ein wenig ungeschickt mitgeklatscht. Für acht Zugaben kommt Cohen auf die Bühne, jede einzelne hätte sich perfekt als Abschluss geeignet, und doch kommt er immer wieder. Dabei ist auch das grandiose und selbstironische „Going Home“: „I love to talk to Leonard / He’s a sportsman and a shepard / He’s a lazy bastard living in a suit“. „So Long, Marianne“, „First We Take Manhattan“ und natürlich „Closing Time“:

And the whole damn place goes crazy twice / and it’s once for the devil and it’s once for Christ / but the boss don’t like those dizzy heights / we’re busted in the blinding lights of closing time“, und als man schon glaubt, dass die Lichter wirklich angehen, gibt es „I Tried To Leave You“ und dem abschließenden Song zum Tanz, „Save The Last Dance“.

Sing another song, boys, this one has grown old and bitter“, heißt es auf Cohens „Songs of Love and Hate“. Alt sind sie geworden, aber nicht gealtert, Cohens Songs, und bitter ist hier wirklich gar nichts – eher verblüffend lebendig, sein „manual for living with defeat“.

„I don’t know when we’ll meet again“, sagt Cohen schon nach wenigen Songs. Sollte ihm ein ähnlich langes Leben wie seinem Freund Kyozan Joshua Sasaki alias Roshi, dem spirituellen Oberhaupt des Mt. Baldy Klosters, um den sich Cohen kümmerte, beschieden sein, wird es nicht das letzte Mal gewesen sein. “Save the last dance for me”, singt Cohen und verabschiedet sich. Machen wir, Leonard. Für wen denn sonst.

Setlist:

Dance Me To The End Of Love
The Future
Bird On A Wire
Everybody Knows
Who By Fire
The Darkness
Amen
Come Healing
Lover Lover Lover
—(Pause)—-
Tower Of Song
Suzanne
Chelsea Hotel
Sisters Of Mercy
The Partisan
Alexandra Leaving (Sharon Robinson)
I’m Your Man
Hallelujah
Take This Waltz

Zugabe
So Long Marianne
Going Home
First We Take Manhattan
Famous Blue Raincoat
If It Be Your Will
Closing Time
I Tried To Leave You Save The Last Dance