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Der andere Rebhandl – Seine Rock Rockenschaub Kolumne im WIENER #W430

Anneliese Ringhofer

Aus dem Leben eines Superschnüfflers: Was Rock Rockenschaub an einem heißen Sommertag im Freibad gerne erleben möchte. Kurzum: „Zu dir oder zu mir?“

Ein stabiles Hoch hatte sich über den Azoren gebildet, und mit ­diesem Scheiß-Hoch über den Scheiß-Azoren stand oder fiel ­jedes Jahr unser Glück – ein Hoch über den Azoren bedeutete Sonne, Hitze, kühle Drinks und heiße Mädchen. Ein Tief hingegen ­bedeutete das genaue Gegenteil, und ich hasste das Gegenteil: Da schwappte Wasser hinunter zu Lemmy in den Keller seines Drogenvertriebs Quattro Stazzione am Wiener Brunnenmarkt, und es schwappte Wasser von der Donau hinein in Dirty Willys Garten vor seinem Sommerhäuschen. Und das Ottakringer Bad, in dem ich traditionell meine Sommer verbrachte, hatte bei einem Tief geschlossen, weil Bäder bei Stark­regen nicht öffnen. Daher hasste ich diese Sommer, in denen rein gar nichts passte, und ich liebte die wenigen, in denen wirklich alles passte.

In einem solchen Sommer stand ich mittags auf, hüpfte in die enge Badehose der Firma ­Adidas und zog darüber die weiße Tennishose der Marke Fila an, ich hängte mir ein grasgrünes ­Hawaiihemd über die Schultern und schlüpfte in die Adiletten; ich schob mir die Sonnenbrille der Marke Carrera auf die Nase und setzte mir noch einen kleinen ­Trilby-Strohhut aus dem 1-Euro-Shop auf, der meinen Kopf ­gegen die Sonne schützen sollte.

„Früher kamen Frauchens zu Horst ins Bad und wollten ihren Spaß, nun aber waren es Mütter, die nichts von Spaß verstanden.“

Ich fuhr ins Bad, wo ich meinen Kumpel Horst begrüßte. Er glich einem zwei Meter großen Stein mit langen blonden Haaren obendrauf, die er sich freilich mittlerweile nachfärben ließ. Mit einem ebenso blonden, festen Schnauzbart unter seiner mächtigen Nase, einer dazu passenden braunen ­Lederhaut sowie den in Bademeisterkreisen vorgeschriebenen Goldkettchen über den dazu passenden Brusthaaren und der das Gesamtbild perfektionierenden engen weißen Badehose, in der sich sein mächtiges Teil deutlich abzeichnete, war alles an ihm Autorität. Na klar, an der Rückseite war auch seine Haut schon ein wenig faltig geworden und aus dem engen Tanga hing die Haut heraus, die früher mal an einem steinharten Arschmuskel klebte, aber eben nicht mehr jetzt, wo er auch schon Mitte 50 war. Alle nannten Horst Blondie und jeder kann sich vielleicht denken, warum.

Von Horst habe ich gelernt, wie man richtig eincremt, wenn eine heiße Lady auf der Liegewiese den Wunsch verspürt, sich von ­einem Kerl eincremen zu lassen: Man fängt immer unten bei den süßen Zehen an und arbeitet sich dann langsam bis hinauf zum ­süßen Arsch. Bevor man aber dort in der Mitte angekommen ist, ­verlegt man die Hände noch nach oben zu den süßen Ohrläppchen und arbeitet sich von dort hinunter, wiederum bis zum süßen Arsch. Erst dann schiebt man die Hand dorthin, wo die Freude wohnt, und fragt mit säuselnder Stimme: „Zu dir oder zu mir?“

Freilich kam das heute deutlich seltener vor als früher, dass eine mit uns nach Hause ging. Das lag aber nicht an Horst oder mir und unserem langsamen Verwelken. Das lag an einer Entwicklung, die ganz und gar nicht erfreulich war: Früher kamen hauptsächlich Frauchens zu Horst ins Bad und wollten ihren Spaß haben, nun aber waren es hauptsächlich ­Mütter, die noch nie etwas von Spaß gehört hatten und schon gar nichts von Spaß verstanden. Sätze wie „Böser Onkel, weg, weg, weg!“ fielen dort nun immer häufiger, oder: „Lass dir von dem bloß kein Eis schenken!“

Immer öfter gab es daher auch für mich einfach mal ein paar Stunden lang überhaupt nichts zu tun im Bad, weder etwas zu schauen, weil man sofort schroff angegangen wurde, noch etwas zum Eincremen, weil sich diese Mütter nicht von uns eincremen lassen wollten, während sie ihre Rotznasen stillten. Und immer öfter fuhr ich daher abends überhaupt ganz ohne Lady an meiner Seite nach Hause und musste mir dann einreden, dass der Tag trotzdem sehr schön gewesen war, dass der Duft nach Sonnencreme, nach Wassereis am Stiel und nach Schweiß, der die weiblichen Körper ja immer noch bedeckte, mir genügte und ich auch einfach so glücklich sein konnte. Glücklich war ich dann aber natürlich nur im Vergleich zum ganzen Rest des beschissenen Jahres, das dann ­immer mit diesem elenden Weihnachten ausklang, und dem noch viel elenderen Silvester.