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Brillen – Die Wunderwerke auf unserer Nase

Für manch Einen war es früher ein unbeliebtes Hilfsmittel, auf das man einfach angewiesen war. Mittlerweile gilt sie sogar als DAS Mode-Accessoire schlechthin und wird zunehmend beliebter. Ob Sonnenbrille, Lesebrille oder Arbeitsschutzbrille – einen bestimmten Zweck erfüllen Sie alle.

Nicht bei jedem von euch aber doch einer gewaltigen Mehrheit (die Statistik lügt nicht, ungefähr ¾ aller Österreicher brauchen eine Sehhilfe) wird irgendwann der Tag kommen. Da brummt euch nach einigen Stunden vor dem Computer der Schädel, lassen sich die Untertitel der Serie, die ihr im Originalton anschaut, nur noch mit zusammengekniffenen Augen entziffern. Und auch wenn sich dann manche es sich immer noch nicht eingestehen wollen, wird es am Ende führen, dass auf euren Nasen eine Brille sitzen wird. Vielleicht nicht den ganzen Tag, vielleicht nicht mit allen Extras, aber es wird eine Hilfe sein. Und obschon sie für viele nur ein Mix aus Glas und Kunststoff ist, der ebensolchen Moden unterliegt wie Sommerschuhe, ist sie doch ein ziemlich cooles Stück Technik, das wir euch jetzt etwas genauer näherbringen wollen.

01. Der Check

Der Weg zum Brillenträger beginnt für euch grundsätzlich entweder beim Augenarzt (zum Angeben bei der nächsten Party: Das ist ein Ophthalmologe) oder gleich beim Optiker. Beide machen letztendlich dasselbe, sie prüfen, in wieweit eure Augen nicht mehr so funktionieren, wie sie sollen. Dazu werden verschiedene Dinge gemessen:

  • Der erste Test, bei dem ihr Bilder durch einen Apparat scharf erkennen müsst. Er sagt, ob ihr kurz- oder weitsichtig seid.
  • Der zweite Test, bei dem der Fachmann mit einem sogenannten Keratoskop in eure Augen schaut, um festzustellen, ob ihr eine Hornhautkrümmung habt. Falls ja, kommt ein Ophthalometer zum Einsatz, das ganz genau sagt, was wie krumm ist.
  • Der dritte Test, bei dem ihr ein Gestell mit unterschiedlichen Linsen vor die Augen bekommt und dann auf einer Tafel Buchstaben ablesen müsst. Der verrät ganz präzise, welches Auge wie gut oder schlecht ist und welche Stärke ihr benötigt
  • Der vierte Test, bei dem bestimmt wird, welchen Abstand eure Augen zueinander und in Relation zur Nase haben.

Danach hat der Optiker, was die Werte anbelangt, alles an der Hand, um die optische Komponente der Brillenfertigung in die Wege zu leiten.

02. Fassung aussuchen

Einen Vorteil habt ihr, falls ihr zu den modernen „Seh-Gestörten“ gehört, die Zeit des runden Einheits-Kassengestells ist vorbei. Bei den Großen der Branche könnt ihr davon ausgehen, dass es da gut 2000 verschiedene Stile zur Auswahl gibt. Das ist allerdings auch buchstäblich die Qual der Wahl, denn allein eure Sehstärke taugt heute kaum noch als Ausschlusskriterium – wo es früher bei sehr schlechten Augen, die richtig dicke „Flaschenböden“ benötigten, nur wenige Modelle gab, die das Gewicht trugen. Heute sind die Gläser indes wahlweise aus Glas oder Kunststoff, sodass Ihr euch wirklich auf alle Modelle fokussieren müsst.

Das Gute daran: Optiker haben auch gelernt, abhängig von Trends, Gesichtsform, Haarfarbe usw. Modelle zu empfehlen. Vertraut ihnen ruhig, auch wenn sie ein Modell empfehlen, dass ihr vielleicht nie getragen hättet. Und kommt bloß im normalen Alltagsoutfit zum Aussuchen, damit die Fassung wirklich dazu passt.

Entscheidend für die richtige Brille ist, dass ihr beim Aussuchen zwischen Outfit und Frisur euren normalen Alltagslook tragt. Foto: fotolia.com © bnenin

03. Fassung produzieren

Grundregel bei der Brillenherstellung: Erst die Fassung, dann die Linsen. Das liegt einfach daran, dass die Linsen das präzise, einzelangefertigte Stück sind. Die Fassungen hingegen sind nur „Linsenhalter“, werden im großen Stil hergestellt und nur hinterher etwas an eure Kopfform angepasst.

Und die Entstehung dieser Linsenhalter ist wiederum ein Kapitel für sich, denn weil es Modeprodukte sind, folgt ihre Herstellung klassischen Design-Richtlinien. Also: Ein Designer zeichnet verschiedene Stile auf. Schon das ist verdammt tricky, weil ein Brillengestell nun mal nicht so viel künstlerische Freiheit lässt. Alles muss in bestimmten Abmessungen erfolgen, nur Farbe, Muster, Form und Material können geändert werden. Ist das Design abgesegnet, wird ein Prototyp aus Acetat hergestellt – das geschieht mittels Fräse. Auch der muss sich wieder kritischen Entscheiderblicken stellen, denn immerhin geht es hier um etwas, was vielleicht Brillenmode auf Jahre bestimmen wird. Ist der Prototyp ebenfalls abgenommen, geht die Sache dann in die Massenfertigung. Der überwiegende Teil der Gestelle wird auf die Brillen-Produktionsstätten verteilt. Einzelne Stücke gehen als Muster an die Optiker.

04. Linsen herstellen

Die Fassung ist ausgesucht und hergestellt, dann geht ihr Modellcode zusammen mit euren Augen-Daten nun ins Hinterzimmer des Optikers (oder heute oft einer zentral gelegenen „Brillenfabrik“). Da wird dann zunächst die Fassung in einen sogenannten Tracer gesteckt. Dieser Apparat erfasst die dreidimensionalen Daten der Fassung, damit das Glas:

  • Die richtige äußere Form hat
  • Im richtigen Winkel in der Fassung sitzt
  • So geschliffen wird, dass der Brechungspunkt der Linse (ihre optische Mitte) genau dort ist, wo eure Augen beim Geradeausschauen hinblicken.

Dann greift der Fachmann in sein Lager mit Linsen-Rohlingen. Ob aus Kunststoff oder Glas, diese sind nur der entsprechenden Fehlsichtigkeit vorgewölbt, das bedeutet:

  • Bei Kurzsichtigkeit konkav, also von eurem Auge weg-gewölbt
  • Bei Weitsichtigkeit konvex, also zu eurem Auge hin-gewölbt

Dieser kreisrunde Rohling wird nun in eine Maschine eingespannt. Dann geht es los. Erst wird die Grundform so herausgearbeitet, dass das Glas ohne Probleme in den Rahmen passt. Ist das erledigt, wird die zu euren Augen passende genaue Sehstärke jeder einzelnen Linse weiter herausgearbeitet. Klar, je weiter sich die von der Stärke des Rohlings unterscheidet, desto länger dauert das.

In diesem Schritt werden dann auch etwaige Gleitsichtzonen mit in das Glas geschliffen. Das ist noch schwerer, weil es keine Kanten geben darf, an denen euer Blick „hängenbleiben“ würde. Das wäre im Alltag enorm störend, die Brille wäre richtig nervig.

Doch: Nach dieser Bearbeitung ist das Glas durch das Schleifen noch ziemlich trüb. Jetzt beginnt deshalb die Feinarbeit. Die Linse wird in unzähligen Schritten immer feiner poliert, bis sie innen wie außen so glatt ist, wie es technisch möglich ist.

Die Kontkatlinse: Eine Alternative, die nicht immer ganz angenehem und geeignet ist. Foto: fotolia.com © Africa Studio

05. Volldampf voraus

Die Linse, so wie sie jetzt ist, könnte man in die Fassung einsetzen und die Brille wäre ready. Aber Glas bzw. Kunststoff alleine ist nicht so alltagstauglich, wie man es braucht. Das geschieht jetzt. Kunststoff bekommt dann beispielsweise einen Beschuss mit Ionen, was die Oberfläche verdichtet und sie wesentlich resistenter gegen Kratzer macht.

Ebenso kann (was heute praktisch Standard ist) die Brille entspiegelt werden. Dabei wird eine hauchdünne Schicht auf die Außenseite des Glases aufgedampft. Sie sorgt dafür, dass im Glas (oder besser zwischen beiden Schichten) ein komplizierter physikalischer Prozess stattfindet, bei dem die Reflexe sich gegenseitig brechen und so ausradieren.

Übrigens: Falls die Brille selbsttönend ist, dann wurde diese Eigenschaft der Linse schon in die Wiege gelegt, indem der flüssigen Schmelze Silberbromid beigegeben wurde.

06. Trag’s mit Fassung

Das fertige Glas kommt jetzt in die Fassung. Bei Vollrandfassungen wird diese einfach nur etwas erwärmt, damit sie sich dehnt, das Glas indes gekühlt, damit es sich zusammenzieht. Dann werden beide Elemente „verheiratet“ und nachdem sie ihre Temperaturen angeglichen haben, sitzt alles „alltagsfest“.

Ungleich schwieriger ist es jedoch bei randlosen Brillen. Da muss, nachdem alles bereits getan wurde, das Glas durchbohrt werden, damit Mittelsteg und die Bügelscharniere befestigt werden können. Wenn hier was schiefgeht, abplatzt oder so, ist das Glas ein Fall für die Tonne. Kein Wunder, dass da sehr lange und hart geforscht wurde, um ausreichend stabile Klebeverbindungen zu finden, die mittlerweile in die Serienfertigung eingeflossen sind.

Dann kommt ihr wieder dran: Die fertige Brille wird dann beim Optiker final an euer Gesicht angepasst. Hier wird ein wenig gebogen, da ein wenig gedehnt. Das ist wichtig, denn um wiederholgenau zu sein, muss die Brille beim Aufsetzen immer wieder am gleichen Punkt auf eurer Nase und den Ohren aufliegen. Und wenn ihr dann noch lernt, sie mit Specs-Appeal zu tragen und nicht nur als notwendiges Übel anzusehen, wird daraus eine leidenschaftliche Verbindung, die nur vor dem Zubettgehen endet.

Foto – Header: fotolia.com © deagreez