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Klimawandel – Das Plastiksackerl ist gelandet

Wo? Im Marianengraben, an der tiefsten Stelle des Planeten. Anders gesagt: Der Planet ist offiziell am Arsch. Was also nun?

Zunächst eine Vorschau. Auf den kommenden Sommer, dem Vernehmen nach ist ferneres Zukunftsdenken problematisch. Die Veranstalter des weltbesten Popfestivals – Glastonbury – warten mit einer neuen, IICON getauften Bühne für spätnächtliches bzw. frühmorgendliches Zappeln auf. Der Clou: Eintritt nur ohne Smartphones. Die Mission: Vergiss die Sozialen Medien, kommuniziere mit den heftigen Realitäten in unserer Welt der Post-Wahrheiten. IICON soll dennoch Spaß für 15.000 Menschen bereiten. Warnung: Plastikflaschen sind unerwünscht, sie sind das Nur-über-meine-Leiche-Ding der Saison. Brandneue Studie der kanadischen Uni Victoria ad hoc: Der durchschnittliche Weltbürger konsumiert mindestens 50.000 Partikel Mikroplastik pro Jahr. Die hauptverdächtigen Quellen: Wasserflaschen und Nahrungsverpackungen. Aber Mikroplastik ist überall, sagen die Forscher, sogar in den Tiefen der Ozeane.

Letzteres bestätigte der Marineoffizier Victor Vescovo, der vergangenen Mai im Marianengraben mit seinem U-Boot DSV Limiting Factor einen Tieftauch-Weltrekord schaffte und am Meeresboden ein – Plastiksackerl fand.

Statistiken belegen, dass die Spezies Mensch jährlich genug Plastik wegwirft, um den Planeten viermal zu umrunden. Plastik, die omnipräsente Evidenz der Wegwerfgesellschaft, erstickt das Leben. Der gemeinsame Nenner der an der US-Westküste und in Sardinien und Neuseeland an die Strände geschwemmten Wale ist das gefundene Plastik in deren Mägen. San Francisco mauserte sich nun zur ersten Stadt, die den Verkauf von Plastikflaschen verboten hat. Inzwischen, bei Forbes, schafften zwei Amerikaner namens Andrew Cooper und Alex Schulze den Sprung in die Liste der Top-30-Unternehmer unter 30. Sie waren vor fünf Jahren auf Surf-Urlaub in Bali und nahmen die plastikverseuchten Strände zum Trigger für das Unternehmen 4ocean, eine mittlerweile globale Strandsäuberungsfirma, finanziert durch Spenden von Planetenrettern in spe. Die 4ocean-­Crew hat bis dato über eine Million Kilo Plastik von den Weltstränden entfernt.

Allein, derlei Mikro-Ökonomie ist nur Kosmetik, eine Behübschung des eigentlichen Problems – Klimawandel. Sir David Attenborough, potenteste Stimme des Planetenschutzes, präsentiert eine ominöse globale Wettervorhersage: mehr Stürme, mehr Fluten, mehr Hitzewellen; heftigere Waldbrände in Kalifornien, katastrophaler Monsun in Indien; der Meeresspiegel steigt, Inseln verschwinden, Klimaflüchtlinge werden zur nirgendwo willkommenen Menschenmasse. Das Klima ändert sich, weil die Welt wärmer wird. Ein Trend, der nichts mit der Natur, aber alles mit dem Homo sapiens zu tun hat. Er wird von einer Weltgesellschaft verursacht, deren Betriebssystem auf Kohle, Gas und Öl baut, und das CO2 als Müllprodukt in die Atmosphäre pumpt, mit dramatischem Effekt auf das Wetter. Die aktuellen Baddies: Energiefirmen, die auf fossilen Brennstoff bauen; Vermarkter von Dingen wie Palmöl, Inhalt fast aller Produkte von Seife bis Schokolade; Viehwirtschaft (Tierfutteranbau geht auf Kosten von Regenwald) und so weiter. Globale Faktoren zur „größten Bedrohung der vergangenen Jahrtausende“ (Attenborough), die in der lokalen Umsetzung eine unbequeme Radikalität erfordern.

Manche Pille ist bitter: Groß verändern geht einher mit Verzicht. Vegane Ernährung, zum Beispiel, ist top beim Planetenretten. Weil du damit deinen CO2-Fußabdruck um 73% verringern kannst. Fanden Forscher der Uni Oxford. Oder „Flight Shaming“, wie von der unglaublichen Greta Thunberg demonstriert (Flygscam), die nur per Eisenbahn unterwegs ist. Macht Sinn, zumal der „E-Fan“, das Elektroflugzeug-Projekt von Airbus, noch in den Kinderschuhen steckt. Was noch fehlt, sind attraktive Angebote von ÖBB und Co. Oder schwerreiche Leute wie der Schweizer Milliardär Hansjörg Wyss (83), der eine Milliarde Dollar freimachte, um damit Natur aufzukaufen und zu schützen. Mit „Entzivilisierung“ der Natur, kann der CO2-Level reduziert werden. Erinnerung: Jeder gerettete Baum absorbiert CO2.

Allerdings ist die Lage so prekär, dass radikal nicht reicht. Rebellisch ist angebracht, finden Gruppen wie die in London aktiven Extinction Rebellion, die auf „stop business as usual“ setzen und mit ihrem rosaroten, nach der ermordeten Umweltaktivistin Berta Caceres benannten Boot den Londoner Verkehr lahmlegen. Weil das System der Kern des Problems ist, sagen sie. Ein System, das auf Wachstums-Dogma beruht und Wirtschaftswachstum mit menschlicher Wohlfahrt gleichsetzt. Anders gesagt: Das System fickt den Planeten. Das sagt sogar Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, ehemals Chef-Ökonom der Weltbank. Die Klimakrise, sagt er, ist unser dritter Weltkrieg. Also: Weißt du, wie spät es ist? Ja genau, es ist Zeit, was zu tun.

Grün ist Geld: https://4ocean.com/

Klimawandel – die Fakten, erzählt von Sir David Attenborough: https://www.bbc.co.uk/iplayer/episode/m00049b1/climate-change-the-facts

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