AKUT

Manfred Rebhandl – Lehrerin

Jakob Stantejsky

Vor ein paar Wochen sagte Kubelka, der Psychofuzzi, dass er „etwas Regelmäßiges“ mit einer „Traumfrau“ laufen hätte, hörte sich dabei an wie ein verdammter Angeber, der auch mal einen offenen Mund bei seinen Kumpels sehen und ein „Respekt, Alter!“ hören wollte. Aber eine Traumfrau verziehen wir kaum mal einem, denn warum sollte man einem auch „etwas ­Regelmäßiges“ mit einer solchen gönnen, wenn es bei einem selbst immer holpriger lief?

Außerdem: Anders, als das die Hausfrauen untereinander machen, hatte uns Ku auch nie etwas Genaueres über seine neue Flamme erzählt, weswegen wir sogar ein wenig beleidigt waren. Normalerweise interessierten uns seine Gesundheitslatschenträgerinnen­geschichten ja ohnehin nicht. Aber wenn er tatsächlich einen richtig dicken Fisch an der Angel hatte, dann wollte man als Freund doch zumindest wissen, ob dieser Fisch schluckte oder spuckte. Nur so viel ließ er sich aus der Nase ziehen: dass sie irgendwo „unterrichtet“. Und seither nannte ich sie „Die Lehrerin“.
Genau von der fing er jetzt an, zu reden: „Ich hab dir doch mal von Ludmilla erzählt?“

„Von der Lehrerin?“

„Sie ist doch keine Lehrerin, Herrgott! Sie kommt aus bestem Wiener Bürgerhaus und ist Professorin für Neurologie an der Universität Wien mit Gastprofessuren in Berkeley und Uppsala. Insgesamt ist sie weltweit führend auf ihrem Gebiet!“

Ich blieb dabei: „Als Lehrerin?“

„Verdammt, nein! Als Professorin!

„Als Lehrerin!“

„Professorin!“

„Lehrerin!“

Ich konnte da ziemlich stur sein, fast ein wenig kindisch. Dabei war „Lehrerin“ von mir gar nicht abwertend gemeint, im Gegenteil. Meistens sahen Lehrerinnen ja fantastisch aus. Jedenfalls auf der Leinwand im Pornhouse, wo sie von gut aussehenden Frauen gespielt wurden. Wie sie in Wirklichkeit aussahen, das wusste keiner von uns so recht, denn Lehrerinnen waren nicht die Sorte Mensch, mit der wir viel zu tun haben wollten. Hingegen liebten wir Lehrerinnenfilme, sie waren die Meisterschaft des Pornofilms. Jeder Heranwachsende fing mit Lehrerinnenfilmen an und schaute sich dann hoch bis zu den MILFs und später vielleicht sogar bis zu den Grannies, die aber natürlich nur etwas für Spezialisten waren. Also verdammt, ich liebte Lehrerinnen! Darum blieb ich dabei: „Sie ist Lehrerin! Und überhaupt – idealisierst du sie nicht ein wenig? Sie muss doch auch Fehler haben!“

Mit „idealisiert“ wollte ich ihn an seinen eigenen Eiern packen, denn das war eines seiner verdammten Lieblingswörter: „Idealisieren“. Und ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Wort einmal in den Mund nehmen würde.
„Hat sie aber nicht!“, sagte er, ohne auch nur einen Augenblick lang zu überlegen. „Ludmilla ist perfekt.“

Da war einer ganz schön verblendet, was diese Lady anging, ­jedenfalls, wenn man sich sein ­Gesicht anschaute. Denn ohne Zweifel musste dieses Gesicht ­etwas mit dieser Lehrerin zu tun haben. Die Farben Blau, Gelb und Grün im Gesicht eines Mannes ­waren im besten Fall so etwas wie sein Ritterschlag: Wer wegen einer Lady so ein Gesicht hatte, der musste wirklich für Gefühle in ­ihrem Umfeld sorgen. Und Eifersucht war ein sehr starkes Gefühl.

Ich bohrte also weiter und fragte: „Hat sie dich mit dem Lehrerinnenrohrstab so hergerichtet?“

Er dreht fast durch: „Sie ist ­keine Lehrerin!“

Und ich sagte: „Ist sie doch!“

Manfred Rebhandl
Autor in Wien. Zuletzt erschien von ihm BIERMÖSEL – Die Kultkrimis in einem Band (Haymon Verlag 2018)