AKUT

Ludmilla

Sie hieß Ludmilla und war einfach perfekt. Ich hatte sie letzten Sommer draußen in einer Gartensiedlung namens Neu-Brasilien kennengelernt, wo sie am Zaun lehnte, und ich lehnte mich halt zu ihr.

Schon wechselten wir in ihre Kiste – riesig; weiße Wäsche; das Nachtkästchen gut gefüllt mit allem, was Spaß machte -, wo wir den Rest des Tages verbrachten inklusive der ganzen Nacht bis hinein in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages.

Während der ganzen Zeit passierte nichts, was einen Mann nicht extrem glücklich machte: Ihre Ockerbraunheit war reinste Freude, ihre Finger fanden ihren Weg überall hin, und ihr Mund saugte an mir wie das Auge des Taifuns am nordwestlichen Pazifik. Und sogar schlafen konnte ich neben ihr (was ich sonst nie neben einer konnte), nachdem ich an die hundert Mal über sie drüber gerutscht war, sehr zur beider­seitigen Freude.

Am Morgen dann, nachdem wir zusammen geduscht hatten, zögerte sie nicht einmal, mir einen Schluck russische Brühe in den Kaffee zu schütten, als ich sie darum bat, und dann kraulte sie mir die Löckchen an meinen musku­lösen Schenkeln, als ich sie auch darum bat. Mit anderen Worten: Schnurziburzi, wie ich sie mittlerweile nannte, war perfekt, obwohl sie mir irgendwann gestand, dass sie gar keine Professorin für Neurologie an der Universität Wien mit Gastprofessuren in Uppsala und Berkeley war (wie sie gestern am Zaun noch gemeint hatte!), „sondern nur Lehrerin. Ich hab da leider ein Problem mit meiner Selbstwahrnehmung.“

Bei mir freilich konnte sie sich das „leider“ sparen, ich sagte: „Ich mag Lehrerinnen.“ Lehrerinnen­filme waren im Pornokino nämlich das Beste, jeder von uns liebte Lehrerinnenfilme!

Während ich Ham and Eggs mit den acht Eiern drin verschlang – die sie mir zubereitet hatte, nachdem ich sie darum bat –, überlegte ich bereits, wann ich bei meinem Kumpel Lemmy ausziehen und bei ihr einziehen würde, denn der Arsch von Schnurziburzi war so heiß, dass man damit einen Hochofen befeuern konnte, kurz: Schon nach einer einzigen perfekten Nacht saß ich mit ihr zusammen auf einer Rakete in Richtung ewigen Glücks, und nichts und niemand würde diese Rakete jemals stoppen.

Kirschtörtchen, wie ich sie mittlerweile auch nannte – nachdem sie mir eines als Jause für den Tag eingepackt hatte –, begleitete mich dann sogar hinaus bis zum Gartentor, wo wir uns weitere zwei Stunden sechsundvierzig ­Minuten lang küssten, bevor ich schließlich den Satz aller hart ­arbeitenden Männer sagte: „Ich muss dann wirklich.“ Nämlich in die Stadt hinein, um bei meinem Freund Horst, der Bademeister im Ottakringer Bad war, auf der Liegewiese anzudocken.

Sie hätte mich dann nur zum Abschied küssen und mir ein paar Minuten nachwinken müssen, und unsere Rakete wäre weiter geflogen und immer weiter. Aber als ich schon fast bei meinem Datsun war und die Schlüssel schon in der Hand hielt, um ihn aufzusperren, stolperten doch noch die berühmten sechs Worte aus ihr heraus, die jeder Mann fürchtete, weil sie am Ende alles zerstörten:

„Wollen wir mal etwas zusammen unternehmen?“, fragte sie.

Es zog mir augenblicklich den Sack in der Hose zusammen, und mit leichtem Stottern im Kau­bereich stammelte ich zurück: „Meinst du, wie Kajak fahren an der Thaya?“

Sie strahlte: „Ja, genau! Oder Radfahren die Donau entlang!“

Sie hüpfte sogar ein paar Mal auf und ab und schlug die Hände vor ihrem Gesicht zusammen, was wirklich gut aussah, weil dabei ihre Glocken … na ja. Bei mir war sie mit ihrem Vorschlag sowieso an den Falschen geraten. Ich musste nicht einmal überlegen, sondern sagte nur: „Nein, danke. Ist nichts für mich.“

Und stieg ein.

Drehte mich nicht mehr um und schaute nie wieder zurück.


Manfred Rebhandl
Autor in Wien. Zuletzt erschien von ihm BIERMÖSEL – Die Kultkrimis in einem Band (Haymon Verlag 2018).