Film & Serie

The Boys – Alles super. Oder?

Dass Superhelden nicht immer grundgute, reine Überwesen sind, wurde in den letzten Jahren von praktisch allen Comicverlagen und in Filmen wie „Hancock“ oder „Brightburn“ deutlich gemacht. Aber die haben alle nur an der Oberfläche gekratzt, wie die Amazon-Produktion „The Boys“ genüsslich auswalzt.

Text: Markus Höller / Foto: Amazon.com Inc

Und vor allem mit allem gebotenen Schmackes. Das wird schon deutlich, wenn im Stream erst mal nach der Altersverifikation gefragt wird – die Begründung folgt schon nach wenigen Minuten in Episode 1. Ja, es wird blutig, gemein und zynisch, und das ist letztlich genau das, was passiert, wenn Menschen Superkräfte haben. Denn sie bleiben Menschen mit all ihren Charakterzügen, ­geheimen Bedürfnissen und letztlich auch Fehlern.
Die grundlegende Handlung ist simpel. Es gibt zahlreiche Menschen in den USA, die über schein­bar gottgege­bene Superkräfte verfügen. Und weil die USA eben die USA sind, muss das alles ja auch für irgendjemanden einen Reibach haben, also gibt es einen Konzern namens Vought International, der Superhelden unter Vertrag nimmt und sich um deren Vermarktung und Image kümmert. Zum Beispiel als Lease zum Schutz – je nach Budget – kleiner Orte oder als Unterstützung für die Streitkräfte. Top of the Game sind dabei die so genannten Seven, sieben besonders fähige Superhelden, die im Falle einer nötigen Nachbesetzung mittels Casting erkoren werden. Klingende Namen wie Black Noir, The Deep oder A-Train überzeugen mit beeindruckenden Kräften, aber klarer Anführer der Partie ist Homelander: blond, blauäugig, mit Stars-and-Stripes-Cape und goldenen Adlerköpfen als Epauletten, verfügt er über praktisch alle Superkräfte, wie man sie von Superman kennt. Was ihn, no na, zum mit Abstand mächtigsten Superhelden macht.

So weit, so gut. Nicht. Denn die Seven sind charakterlich ungefähr so sauber wie die Insassen ­eines Supermax-Gefängnisses. Sexuelle Perversionen, Drogensucht, Größenwahn, Sadismus, Geldgier … alles da. Und über allem eine Konzernspitze, die nicht nur Unsummen scheffelt, sondern auch immer mehr Macht im Staat an sich reißen will. Keine gute Kombination, aber das richtige Marketing und eine prall gefüllte Kasse, um Opfer regelmäßig auftretender Kollateralschäden zum Schweigen zu bringen, können vieles wieder richten.

Jedoch: Eine kleine Gruppe von persönlich betroffenen Wutbürgern, angeführt von einem gewissen William „Billy“ Butcher (Karl Urban), setzt sich jedoch dagegen zur Wehr und will die niederträchtigen Machenschaften des Superhelden-Imperiums aufdecken und zerschlagen. Eine scheinbar unmögliche Aufgabe; aber schon bald stellen sich erste Erfolge ein, was zu einem ­offenen Schlagabtausch nicht nur zwischen den beiden Parteien, sondern auch innerhalb von Vought International führt.
„The Boys“ ist also nicht nur eine willkommene und in der Plastizität der diversen Todesfälle oft grotesk komische Abwechslung des Superhelden-Pathos à la „Deadpool“, sondern auch eine herrlich bissige Parabel auf das Land of the Free. Homelander selbst verkörpert so ziemlich alles, was man an den USA nicht mag. Dazu kommen zig Anspielungen auf den Bible Belt, Big Pharma, #metoo, Medien, Leistungsdruck, Schönheitsideale und vieles mehr. Wer nach gefühlt hundert Jahren cineastischer (wenn auch meist gut gemachter) Fließbandarbeit von DC und Marvel die Nase voll von lauter Gutheit in Onesies hat, dem sei diese Serie ans Herz gelegt. Splatter­affinen Zynikern und USA-­Kritikern sowieso.


The Boys by Eric Kripke.
Mit Karl Urban, Jack Quaid, Antony Starr, Erin Moriarty; 2 Staffeln; Amazon.