Design

Genuss, der Spuren hinterlässt

Mit der Hand schreiben entschleunigt nicht nur. Es schafft auch Zeit. Und somit eines der wertvollsten Geschenke unserer Epoche.

Text: Paulus von der Hainbach / Foto: Hersteller

Wann haben Sie sich zuletzt Notizen gemacht? Nein, nicht am Handy, in der hundertsten Notizblock-App, die sie sich in den letzten drei Jahren heruntergeladen haben, mit dem fixen Vorsatz, diese nun wirklich und endlich und total connected zu nutzen, weil sie nun eben dieses eine, jene, besondere Feature hat, das die davor nicht hatte, weshalb Sie sie nie verwendet hatten …

Ich persönlich habe ein Faible für Notizbücher, schöne Notizbücher. Ganze Laden füllen sie in meiner Schreibstube. Schwere, große, kleine, dicke, dünne, solche mit Logos, linierte, karierte, am liebsten sind mir aber eigentlich die leeren, glatten, wo der Kreativität des Schreibens freier Lauf gelassen wird. Ohne Einschränkungen, Passformen, ­Geradlinigkeiten.
Die meisten meiner Notiz­bücher sind nicht mehr jung­fräulich.

Irgendwelches Gekrakel findet sich immer auf den ersten paar Seiten, aus längst vergangenen Zeiten, von längst obsolet gewordenen Terminen, Gedankenstützen, die nur der aktuellen Befriedigung während des Meetings dienten, sich selbst und dem Gegenüber vorzumachen, dass man eh bei der Sache ist und sich eben notiert, was da gerade besprochen wird. Eine Stunde später hätte ich meiner Klaue vielleicht noch inhaltlichen Wert entlocken können, aber schon zwei Tage nach dem Treffen war das Gekritzel obsolet. Und das nächste Notizbuch trat seinen Dienst an.
Erst Jahre später machen die gekritzelten und meist mit Bleistift ersonnenen Infofetzen wieder Sinn. Sie erinnern an Zeiten, an Gefühle, Emotionen, Beziehungen. Schau dir an, wie ich ­damals geschrieben habe, seltsames S, seltsames P und was für ein Q … oder ist das ein D? Hätte ich mir dieses Was-weiß-ich ­damals digital notiert, auf dem vorsteinzeitlichen Palm-Pilot etwa oder auf dem Psion oder wie das Ding hieß, lauter Vorboten ­einer schönen, neuen Welt, das Frischeste vom Neuen, das uns die Zukunft daherrevolutionieren wird in null komma nix. Heute? Alles Elektronikschrott. Irgendwo im Ladl verrottet. Während sich die Notizbücher nebenan noch immer feinster Unverbrauchtheit erfreuen, auch wenn die ersten paar Seiten vollgekritzelt sind.

Und dann verliebst du dich wieder aufs Neue. Ins Schreib­gerät, das da in der Schreibtischlade obenauf liegt. Nimmst den Caran-d’Ache-Kuli zur Hand. Oder den Druckbleistift aus ­Florenz mit der dicken Mine. Und die Füllfeder. Jene mit dem breiten Spitz. Wozu ist so was überhaupt gut?
Wie ganz von selbst findest du dich plötzlich in mitten einer wunderschönen Wissenschaft namens Kalligrafie, kurz übersetzbar mit „Die Kunst des Schreibens mit der Hand.“ Plötzlich machst du dir Gedanken über Schlaufen und Striche, Punkte und Linien, siehst dir selbst beim Formulieren zu. Und die Gedanken, die so direkt durch dein Kleinhirn über die Metallfeder aufs Papier finden, in die winzigen, textilen Poren fließen, in denen sich die Tinte ausbreitet und nachhaltig wie endgültig Spuren hinterlässt, die dich wahrscheinlich überleben werden – ja woran denke ich denn eigentlich? Was will ich loswerden? Ich weiß es nicht, im Moment des Schreibens. Aber ich kann es ja nachlesen. Jetzt gleich. In einer Stunde. Morgen. Oder aber in zehn ­Jahren.

Im Zuge dieser Verlangsamung, der Reduktion des Tempos, in dem Information geschaffen wird, auf das absolut nötige Maß gewinne ich Zeit. Zeit für mich und meine Gedanken. Eine zeitliche Einordnung meines Bewusstseinsstrom entsteht. Studien ­haben ergeben: Der einfache ­Vorgang, sein Herz auf Papier auszuschütten, kann zur Verbesserung der körperlichen und geistigen Gesundheit, zu klarerem Denken, weniger Stress und sogar zu einer Stärkung des ­Immunsystems führen.
Nehmen Sie einen Notizblock zur Hand und betanken Sie Ihre Füllfeder. Sie werden es genießen, glauben Sie mir.

Zaim Kamal ist Creative Director von Montblanc International und hat somit die Hauptaufgabe, Designkreativität mit ganz viel Tradition zu paaren und das Ergebnis trotzdem nachhaltig in der ­Moderne zu positionieren. Als passionierter Traveller sind für ihn Notizen sehr wichtig. In der schwierigen Zeit des Lockdowns hat er Schreiben mit der Hand als Ventil entdeckt. Unter anderem daraus entstand die Initiative #InspireWriting.

Infos unter: montblanc.com/benefitsofwriting


Montblanc Meisterstück
„Calligraphy Collection“
Seit 1906 entstehen in der Maison Montblanc Schreibgeräte edelster Ausführung, seit damals liegt das Haupt­augenmerk der Entwicklung neuer Schreibgeräte auf der Herstellung der Feder mit einem Höchstmaß an Geduld und Kunstfertigkeit. Für die neue Meisterstück „Calligraphy Collection“ wurde die Flex-Feder entwickelt. Aus Gold gefertigt, um sich leichter zu biegen und die Tinte einfacher abzugeben, sorgt sie für eine erhöhte und besonders ausdrucksstarke Schönschrift. Der Druck lässt sich genauer dosieren, was eine exaktere Charakteristik der persönlichen Schreibschrift ermöglicht. Je nach Druck reichen ihre vertikalen Linien in der Breite von 0,3 bis 1,4 mm. So lassen sich in feinster Abstufung Akzente setzen, Betonungen finden und Farbnuancen erzeugen.
www.montblanc.com