Meinung

Tempi passati

Alex Pisecker

Können Sie sich noch an die wunderschöne schlanke Frau aus der Fa-Werbung in den 70er-Jahren erinnern? Mit blankem wogendem Busen und einem ­Mikrotanga (ich kann leider nichts über dessen Farbe berichten, wir hatten einen S/W-Fernseher) fegte sie über einen tropischen Strand. Nein? Zu jung dazu? Ach ja, nur zur Information, es handelte sich um diese wilde schamlose Zeit, in der man noch dünn sein durfte, ohne diskriminiert zu werden. In der Schönheit und Hedonismus noch existieren durften. In der Ästhetik noch einen Platz hatte, im Film wie in Print. Sex wurde gelebt und gezeigt. Das Wort „Nipplegate“ war noch nicht mal erfunden.

Heute erfreuen wir uns in der Werbung an sogenannten „Typen.“ Sie sollen so wie du und ich aus­sehen. Hm. Warum sollte es mich animieren, ein ­Produkt zu kaufen, das mir Sepp Schwartel von der Zehner-Stiege präsentiert oder Karin Korpulent vom Bau quer über die Straße? Mir scheint, am Anfang des Millenniums hat irgendjemand die Lizenz zur Unattraktivität vergeben. Es kommt mir ein wenig wie die Rechtschreibreform vor: Nur weil sehr viele vieles immer falsch geschrieben haben, ist es jetzt plötzlich richtig.

So richtig überrollt wurde ich von dem Thema daheim am Sofa, als ich letztens in einem Kurzfilm für ein Möbelhaus einen unterspickten Adoleszenten mit Schweinchengesicht (ja, auch von einem Close-up wurde man nicht verschont) über Sofas springen sah. Und dann gibt’s da noch die mit der juckenden Mumu und den mit dem schuppigen Knie, und alle, alle, alle wollen sie die gleichen Problemchen haben wie wir alle. Was soll daran Begehrlichkeit wecken? Die Ausnahme bildet einzig Käpt’n Iglo. Einst ein gemütlich dicker weißbärtiger Seebär, mutierte er zu einem durchtrainierten Teilnehmer des America’s Cup. In einem Spot taucht er gar markig im Eismeer herum, dabei weiß doch jeder, der einmal „Meuterei auf der Bounty“ gesehen hat, dass Seeleute nicht schwimmen können.

Und ja, auch das Styling artet teilweise in groteske Formen aus. Was denken sich Werbefritzen, die einen fetten Schlitten um 80.000 Euro an den Mann bringen wollen, wenn sie die Models aus der Altkleidersammlung stylen? Wollen sie damit Nachhaltigkeit vermitteln? Ich weiß es nicht, bin mir aber sicher, dass es schlaue Marketingfüchslein gibt, die mir das alles erklären können.


Elvira Trevira
Fashion is her Profession. Sie kolumniert im WIENER und bloggt unter BLOG-MAG.NET