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Trattori Officina Kellner

Bildungsauftrag ohne Pizza: Trattoria Officina

Roland Graf

Wäre die „Trattoria Officina“ ein Tonträger, dann eine Compilation namens „Best of Italia“. Allerdings gibt man nicht die „Greatest Hits“ vom Stiefel, sondern durchaus Eklektisches wie Cedro-Salat oder N’duja-Crostini.

Foto Header: Wasserbauer

Foto: Wasserbauer

Ja, die vom Schuhgeschäft! Wer in Wien „d’Ambrosio“ hört, denkt zuerst an italienisches Leder. Doch Petra und Alessandro d’Ambrosio haben auch die mittlerweile stadt-prägende „Riva“ aufgebaut. Während man sich für die kommenden Pizzeria-Standorte noch mit dem typischen „disastro“ quält, das Bauherren nur zu gut kennen, gibt es auch eine Eröffnung zu vermelden. Die Story hinter der „Officina“ geht so: Um die Ecke der Filiale mit Blick auf die Gusshaus-Straße wurde ein Café frei. „Wenn es wer anderer nimmt, ärgerst Du Dich nur“, weissagte Petra d’Ambrosio. Womit man selbst aktiv wurde, aber mit einer klaren Vorgabe: keine Pizza!

Stattdessen soll es auf lange Sicht eine Reise durch die Regionalküchen Italiens geben. Vor allem die saisonale Karte ist das Vehikel für diesen kulinarischen Bildungsauftrag. Gibt es im Winter Zitrusfrüchte, kann es schon sein, dass das wunderbar simple Carpaccio von der Zedratzitrone angerichtet wird. Die mit Olivenöl marinierte Schale der „Cedro“ ist eines jener Gerichte, die Italien verkörpern. Es geht um das Produkt selbst, das von bester Qualität sein muss – e basta! Doch auch das reguläre Angebot unter den markanten Kupferlampen (stammen von Petra d’Ambrosios Vater) kann sich schmecken lassen.

Der gelernte Italo-Küchenkritiker schaut da ja nicht auf die Nudeln zuerst, sondern auf die Antipasti und den Espresso. Letzterer kommt von Passalacqua aus Napoli und wird auch artgerecht gehalten in Mühle und Siebträger. Die Authentizität verwirrt sogar einen kurzen Moment: Wenn das Männer-Klo mit „U“ für „uomini“ beschriftet ist, gibt es eine Nachdenkpause ausgerechnet dann, wenn es schnell gehen soll. Doch zurück zu Speis und Trank: Fein kommen neben dem Haus-Aperitif (Antica Formula-Wermut mit frischem Orangensaft) auch die Wurstwaren daher – und das nicht nur beim gemischten kalten Teller. Das Wurstbrät auf den Tagliatelle ist schlicht großartig, den mitgeschmorten Cime di Rapa können Fleischtiger ja elegant wie Filippo Inzaghi an den Spielfeld-…., pardon: Tellerrand bugsieren.

Wo wir beim Weglassen sind: Den Zusatz „handgemacht“ könnte man sich in der Trattoria im Vierten Bezirk getrost sparen. Diese Qualität der Teigwaren spricht für sich! Vor allem die Kürbis-Gnocchi erwiesen sich als das, was Pensionistinnen gerne als „Gedicht“ titulieren. Der leichte Zimthauch, der nie zur Penetranz ausapert, die dieses Gewürz nicht nur vorweihnachtlich zum unsicheren Kantonisten macht, passt hier wunderbar. Wer es deftiger will, findet in der Knoblauch-Sardellen-Sauce zum gegrillten Fenchel (9,90 Euro) Aromenkraft. Oder man wählt den Toskana-Gang, die Tagliata mit Rosmarin-Erdäpfeln (27 Euro). Es ist ein Detail, aber ein sympathisches, dass sie nicht als „Kartoffeln“ auf der Karte stehen.

Grazie, Officina!

Foto: Nettworkin

TRATTORIA OFFICINA
Navigiere zu: Neumanngasse 4, 1040 Wien, Montag bis Freitag 12 bis 14:30 Uhr und 18 bis 22:30 Uhr, Samstag 18 bis 22:30 Uhr, https://officina.rest

Preise: Pasta startet bei 12,90, die Rigatoni mit Ragú (geschmortes Rind, kein Faschiertes!) kommen auf 14,90. Der knusprige Schweine­bauch mit Borlotti-Bohnen (16,90 Euro) ist auch wohlfeil.

Pflicht-Kauf: Zum Start der Oktopus vom Grill (13 Euro), danach die herrlich flaumigen Kürbis-Gnocchi mit Taleggio (12,90 Euro).

Ideal für: Italophile und alle, die so tun – dank deutscher Übersetzung der Gerichte ersparen sie sich „Gnohtschi“-Peinlichkeiten.

Leistungskoeffizient: 88

Preisband: 84

Nudeln auf die Parmesan gestreut wird
Foto: Nettworkin