KULTUR

Ich hoffe, Du hast es kuschelig, die Musik ist gut und der Schmäh rennt …

Franz J. Sauer

Die Sängerin Valerie Sajdik (Saint Privat, unter anderem …) nimmt im WIENER Abschied von dem Musikproduzenten David Bronner, der am 9. November 2023 überraschend verstarb.

Nun ist es schon fast zwei Wochen her. Und es fällt mir immer noch schwer, etwas zu David Bronners Tod zu schreiben. Ich will es dennoch versuchen, auch wenn diese Zeilen allein David niemals gerecht werden können und die Worte nicht ausreichen werden. Aber es liegt mir am Herzen, diesen besonderen Menschen zu würdigen.

David, wo immer Du auch bist, ich hoffe, Du hast es kuschelig, die Musik ist gut und der Schmäh rennt. Wir vermissen Dich sehr. Ich vermisse Dich sehr. Viele Menschen haben so schöne Worte gefunden für David, in den sozialen Netzwerken, und auch in persönlichen Gesprächen mit mir. Wer David näher kannte, wusste, was für ein empathischer, herzensguter Mensch er war, und wieviel er gab. Er war voller Leidenschaft für die Musik, voller Hingabe zu den Künstlern, die er produzierte, und mit denen er Songs schrieb. Voller Geduld mit jenen, die von ihm lernen wollten. Über Jahrzehnte feilte er nächtelang an Takes, an Worten, an Melodie-Linien, am Sound (im Zweifel den Bass lauter!). Er vergaß manchmal alles um sich herum, zuweilen auch seinen geliebten Hund Baika unter dem Mischpult. Er diente der Sache, war stets im Hintergrund. Zuviel Rummel wollte er nie. Sein Rückzugsort zum Komponieren und Schreiben war in Rust. In den letzten Jahren genoss er aber durchaus die Anerkennung, die ihm zu Recht zuteil wurde.

Valerie und David anno 2008 (Foto: © Laurent Ziegler)

“Es ist nie falsch, einen Song zu schreiben”, sagte er oft zu mir, und er wollte den vielen Anfragen, die an ihn herangetragen wurden, gerecht werden. Gesundheitlich war er schon länger angeschlagen, hatte mit einer schweren Krebserkrankung zu kämpfen, die ihn körperlich nachhaltig schwächte. Wirklich schonen wollte er sich jedoch nicht. Er wollte „einfach nur David sein“. Für Auskünfte über seinen Gesundheitszustand hatte er einfach keine Zeit, für Small Talk schon gar nicht, und für Ratschläge a la, er solle auf sich aufpassen, sowieso nicht.

David lässt viele Freunde und Weggefährten ratlos und traurig zurück. Ich denke an all die tollen Künstler, die nun damit zurechtkommen müssen und ihr Werk fertigbringen und dieser Welt übergeben wollen und ich denke insbesondere an seine liebe Lebensgefährtin Vicky, mit der er glücklich war. Vieles ist unfertig geblieben durch sein plötzliches Ableben. Auch wir beide hatten noch ein begonnenes Herzensprojekt, Kinderschlaflieder. Und ein wunderbares Liveprogramm, das sich “Die 5 Jahreszeiten” nennt, und in dem es um das Leben und den Tod und was danach kommen mag, geht. David hat wunderbare Texte geschrieben dafür; vom Stil ist es auch eine Hommage an seinen unvergessenen Vater, Gerhard Bronner.

Zur Eröffnung der Wiener Festwochen im Mai dieses Jahres hatte er für eines dieser Kinderschlaflieder zu einer Melodie von Hyung-ki Joo nicht nur den Text, sondern auch das Streicherarrangement für die Bühne geschrieben. Es war der Abschluss-Song der Veranstaltung, und es bedeutete mir sehr viel, ihn zu singen. Zuvor hatten wir ein Demo dieses Liedes im Krankenhaus aufgenommen. David hatte mich damals im Zuge seiner Krebsbehandlung zu sich ans Krankenbett gerufen. Anstatt niedergeschlagen und müde zu wirken, blickte er mich mit dem gewohnt spitzbübischen Blick an, und sagte: “Geh Vali, nimm mir schnell das Lied auf”. Er nahm seine Gitarre, klappte den Laptop auf und steckte ein flaches USB-Raummikro an. Er summte mir die Melodie vor und ließ mich den Text, den er gerade fertig geschrieben hatte, ohne mich üben zu lassen, vom Zettel “runtersingen.“ Das war David, wie er leibte und lebte.

David Bronner hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass heimische Produktionen in den 1990ern wieder ins Formatradio gelangten (allen voran Hubert von Goisern, aber auch „meine“ Girl-Band c-bra, die – von ihm produziert – mehrere Wochen Nr. 1 in den österreichischen Airplay-Charts war) und dass es heute wieder eine lebendige, coole österreichische Musikszene gibt. Sein Ratschlag war sehr wertvoll, das sagen viele und das kann ich nur bestätigen. Er sprach Klartext, manchmal in einem einzigen, präzisen Satz. Es hatte nicht nur Herz, Hand und Fuß, was er sagte und tat, es hatte Anstand. Und es hatte „Eier“ (wie er sich selbst auszudrücken pflegte). Einmal, als ein verrückt gewordener Mann Anstalten machte, mir gegenüber übergriffig zu werden, kam David plötzlich bei der Tür rein, ging ohne zu zögern dazwischen und haute ihm, pardon, eine in die Goschen. Der Typ ward nie mehr gesehen.

David und ich verbrachten viel Zeit mit Reden, über Geschichte, Weltgeschehen, Musik, Beziehungen. Er lehrte mich immer wieder, für mich einzustehen, meine Interessen zu wahren als Künstler, und er lehrte mich auch, Verträge in der Musikindustrie auszuhandeln. Beim Texten zusammen haben wir zuweilen eine echte Hetz gehabt. Viele dieser Lieder habe ich an verschiedensten Orten dieser Welt gesungen, und sie werden mich mein Leben lang begleiten.
Ich erinnere mich an viele Spaziergänge in Wien und in Saint Privat, wo David insgesamt drei bis vier Jahre verbrachte. In Saint Privat, diesem abgelegenen südfranzösischen Dorf, in dem ich noch immer lebe, entstanden auch die Lieder zu meinen beiden deutschsprachigen Soloalben, die er dann in Wien fertig produzierte. Ich hatte damals ein paar Songs aus meiner Zeit in Paris in der Schublade und erzählte David davon. Er sagte: “Wenn Du ein Haus findest, irgendwo auf dem Land in Frankreich, wo man ein Studio reinbauen kann, dann komme ich.“ Gesagt, getan. Wir bauten in zwei Tagen sein Studio in Wien ab und fuhren im Schneesturm mit Sack und Pack sowie unserem Tischlerfreund nach Frankreich. Zeitweise tummelten sich ein knappes Dutzend junge Musiker aus Österreich, Frankreich und Deutschland bei uns im Studio. Spannende Produktionen erblickten dort das Licht der Welt. Im Trommelwirbel der Schlagzeugsessions beschwerten sich die Dorfbewohner schon mal über schlaflose Nächte. Dennoch zog David nicht den Groll der indigenen Bevölkerung auf sich; er spielte sonntags einfach mit ihnen Fußball. Unvergessen sind auch die Wiener Musiksalons in der Fledermaus oder auf der Summerstage. Mein Dankeschön geht an alle wunderbaren Musiker, die damals mitgemacht haben und die rund um David zusammengekommen sind. Es war eine wilde, bunte, schöne Zeit voller magischer Momente. Rock ’n‘ Roll.

Flashback ganz zum Anfang, Herbst 1996: Ich erhielt einen Anruf. Ob ich Lust hätte, bei einer Audition für eine Girl-Band mitzumachen. Eigentlich nicht. Ich hatte gerade mit Jazz-Gesang begonnen und wollte diese Schiene weiterverfolgen. Ich fuhr trotzdem, mehr aus Neugierde, in den 19. Bezirk, wo mich zwei fesche junge Männer, einer mit blondem, der andere mit brünettem Wuschelhaar nebeneinander auf einer Couch sitzend, erwartungsvoll anschauten. Wie sich später herausstellte war der eine Philipp Riegler, der andere David Bronner, in dieser Zeit ein kongeniales Team. Ich soll irgendwas im Bereich Pop singen, meinten sie.

Ich sagte, ich kann nur Beatles auswendig. Oder ein paar Jazz-Standards. In der folgenden guten Stunde sang ich also haufenweise Beatles-Songs in der mir ungelegenen Originaltonart; Philipp (oder David?) begleitete mich am Klavier. Es machte großen Spaß, der Audition-Aspekt war völlig vergessen, wir machten einfach Musik. Zum Abschied fragten sie mich, ob ich ihnen noch etwas vortanze, so, ohne Musik. Sicher nicht, antwortete ich. Ich bin doch nicht der Hampelmann hier. Sie insistierten, ich verweigerte erneut, verabschiedete mich und ging. Das wars wohl, dachte ich erleichtert. Am nächsten Tag meldete sich David Bronner.

Ein paar Wochen, bis zum Jahresende 1996, blieb ich noch bei meinem Nein. David gab nicht auf. Wir trafen uns immer wieder, redeten viel. Mir fehle die “Straße”, meinte er. Er ging zu meinem ersten Jazz-Konzert im Tunnel in Wien. Während ich das Konzert als Erfolg verbuchte, hatte es ihm aber gar nicht gefallen. “Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast meinen, du seist untalentiert.” Ich war nicht beleidigt, nie konnte ich ihm wirklich böse sein. Ich dachte nach. Ich war noch jung. Der Jazz würde zu seiner Zeit wieder kommen. Jetzt erstmal leben und lernen. Und ich sagte zu.

Eine Verbindung fürs Leben hatte begonnen. Jetzt ist sie zu Ende. In meinem Herzen wird sie weiter bestehen bleiben. Du wirst immer da sein, David. Und irgendwann sehe ich Dich wieder. Bis dahin sammle ich noch ein bisschen „Straße“.