KULTUR

Gottfried Helnwein: Ich bin immun gegen jede Form von Propaganda

Franz J. Sauer

Noch bis 11. Februar 2024 bringt die ­Albertina eine große Ausstellung seiner Werke der letzten zwei Jahrzehnte, seit jeher setzt er sich in seinen Bildern mit den Themen Schmerz, Verletzung und Gewalt auseinander. Das spiegelt sich auch in Gottfried Helnweins Ansichten zu den großen Themen unseres Planeten wieder, die der in Wien geborene und in Irland und den USA lebende Künstler auch mit 75 noch in ungefilterter Schärfe artikuliert.

Interview: Franz J. Sauer

WIENER: Als Joe Biden Anfang 2021 US Präsident wurde, hat man Sie in einem Interview gefragt, ob sie erleichtert sind, dass Trump nun weg ist. Sie antworteten damals, dass Trump wenigstens kein Kriegspräsident gewesen sei und Biden vom Military Industrial Complex in den USA finanziert wird, also dafür sorgen wird, dass die Konflikte mit Russland und China schärfer werden. Mittlerweile haben wir Krieg in der Ukraine und auch Richtung ­China wird der Ton immer rauer. Sind Sie ein Hellseher?
Helnwein: Nein. Ich bin nur ein neugieriger Mensch. Ich wollte schon immer wissen, was wirklich los ist, und mir ist schon sehr früh bewusst geworden, dass wir fast immer angelogen werden, dass uns ständig irgendwelche selbsternann­ten Autoritäten irgendein offizielles Narrativ verpassen, das uns die Welt erklären und klar machen soll, was wir zu glauben und zu tun haben und was nicht. Das war zu allen Zeiten und in allen Kulturen so. Ich habe bald gemerkt, dass viele Dinge, die als Tatsachen dargestellt wurden, einer Überprüfung nicht standhalten, und so habe ich begon­nen, selbst zu schauen, mit meinen eigenen Sinnen wahrzunehmen, und meine eigenen Schlüsse zu ziehen. Das erlaubt mir, Ereignisse realis­tisch einzuschätzen und bestimmte Entwicklungen voraus­zusehen.

Wie befriedigen Sie Ihre Neugierde?
Neben meiner Arbeit im Atelier versuche ich ständig zu lernen und an so viel Information wie möglich zu gelangen, ich recherchiere und lese und spreche mit Menschen aus allen sozialen Schichten und den unterschiedlichsten politischen oder weltanschaulichen Überzeugungen und mit Augenzeugen, die bei irgendeinem entscheidenden Geschehnis selbst dabei waren, also Informationen aus erster Hand haben. Man muss sich natürlich weit über die offiziellen Mainstream-Medien hinauslehnen und ein bisschen umschauen, um ein realistisches Bild zu kriegen über das, was in der Welt vorgeht. Ich halte eine gesunde Distanz zu allen Ideologien und politischen Systemen und versuche, so unvoreingenom­men wie möglich zu sein. Da ich die Hälfte meines Lebens in Amerika verbringe, kann ich den Zusammenbruch dieses Imperiums direkt aus der ersten Reihe beobachten. Dieses neokapitalistische System ist dekadent und unfassbar korrupt, und Biden ist eine Marionette dieses Systems. Dazu kommt noch, dass er sich mittlerweile in einem fortge­schrittenen Stadium der Demenz befindet, am Rednerpult meist verwirrt umherblickt und so aussieht, als wüsste er nicht, wo er ist und was er da soll. Sein Sohn Hunter hat nachweislich seit vielen Jahren Millionen Bestechungsgelder für seinen Vater aus der ganzen Welt eingesammelt. Alle Beweise dafür hat man auf seinem Laptop gefunden, den er bei einem Computer Repair Shop wieder abzuholen vergessen hat. Das FBI ist seit langem im ­Besitz dieses Computers mit all diesen Daten und unternimmt nichts

Heißt das, unter Trump war alles besser?
Ich bin wirklich kein Trump-Fan, die meisten meiner Freunde sind Demo­kraten, also Liberals oder Linke, wenn Sie so wollen. Aber man muss leider sagen: Seit die Demokraten in den USA an der Macht sind, befindet sich das Land im freien Fall. Es sieht gerade so aus, als ob sich das System selbst zerstört. San Francisco, Philadelphia und viele andere Städte stehen kurz vor dem Kollaps. Ganze ­Straßenzüge sind überfüllt mit Obdachlosen und Drogensüchtigen, Kriminalität, Morde und Waffengewalt sind außer Kontrolle. Immer öfter stürmen Horden von Jugendlichen Geschäfte und Supermärkte und plündern und verwüsten alles, ohne dass sie jemand daran hindern kann. Dieses raubkapitalistische System funktioniert nur für die Superreichen, Konzerne, und multinationale Investmentgesellschaften wie Black­rock, die ­praktisch das gesamte ­Kapital ­kontrollieren.

Seit die Demokraten in den USA an der Macht sind, befindet sich das Land im freien Fall. Es sieht gerade so aus, als ob sich das System selbst zerstört.

Helnwein


Die Mehrheit der Menschen sind die Verlierer dieses Systems und viele bleiben auf der Strecke. ­Amerika hat kein soziales Netz, keine Krankenversorgung, wie wir sie kennen, das Schulsystem ist das schlechteste der Welt und immer mehr leben unter dem Niveau der dritten Welt. Die Demokraten, die traditionell die Partei der Arbeiter und Minderheiten war, hat den ­Kontakt zu den Menschen vollkommen verloren, die Elite der ­Partei besteht ausschließlich aus Millionären und Milliardären, die für den Military Industrial Complex arbeiten. Die skrupellosesten ­Kapitalisten, Spekulanten und Monopolisten haben sich alle zu ­Ehren-Linken ­erklärt.
Die Menschen fühlen sich von der Politik und den Medien im Stich gelassen und sehnen sich nach jemandem, der für sie gegen dieses System aufsteht und alles wieder in Ordnung bringt. Trump ist ein brillanter Demagoge und er scheint für viele genau dieser Mann zu sein.
Das erklärt auch, warum er in allen Meinungsumfragen haushoch führt, und wenn ihn die Elite bis dahin nicht ins Gefängnis bringt, umbringt, oder die Wahl manipuliert, kann ihn niemand aufhalten, er würde die nächste Wahl haushoch gewinnen.

Aber wie könnte ein ­Ausweg aussehen?
Was jeder machen sollte, ist sich informieren, man sollte versuchen herauszufinden, was wirklich vor sich geht, und jeder Art von Propaganda irgendwelcher Autoritäten skeptisch gegenüberstehen. Alles hinterfragen, selbst denken, und seine eigenen Schlüsse ziehen.
Die großen Katastrophen dieser Welt, wie Kriege, Diktaturen,Inquisition, Genozide, der Holocaust, konnten nur geschehen,weil die Menschen zu gehorsam waren und den Autoritäten blind vertraut haben. Mark Twain hat gesagt: „Wann immer Du feststellst, dass Du Dich auf der Seite der Mehrheit befindest, ist es Zeit, innezuhalten und nachzudenken“

Meine Generation glaubte, dass Zensur und Unterdrückung immer von Rechts kommt, die Linken waren die Guten. Nun haben sich die skrupellosesten Spekulanten und Mono­polisten zu ­Ehren-Linken ­erklärt.

Helnwein

So gesehen ist ja das ­Internet, ist Social Media, sind all die neuen, großen, weltumspannenden Netzwerke eine große Chance, weil es noch nie zuvor so einfach war, sich zu informieren, oder?
Social Media und das Internet, waren ursprünglich tatsächlich eine große Chance, man hat das Internet als die fünfte Gewalt bezeichnet, aber es ist natürlich naiv anzunehmen, dass der Military Industrial Complex ein derart mächtiges Instrument, welches das Potential hat, jede Kommunikation auf dem Planeten zu überwachen, und zu steuern, einem Haufen Nerds in Silicon Valley zur freien Verfügung überlassen würden. ­Spätestens seit Elon Musk Twitter gekauft hat, und aufgedeckt hat, wie das Militär, CIA, FBI und das Weiße Haus direkt bestimmt haben, welche Kommunikation erlaubt war, was zu zensieren war und wer permanent gebannt werden musste, wissen wir, dass die Freie Rede der Vergangenheit angehört. Der lebende Beweis ist Julian ­Assange, der seit vielen Jahren, in England in Einzelhaft, langsam zu Grunde geht, weil er über tatsächliche, schwere Kriegsverbrechen des amerikanischen Militärs berichtete.
Die Dominanz der USA fußt ja nicht nur auf ihrer militärischen Übermacht, sondern vor allem auf der größten Propagandamaschine aller Zeiten und einem weltweiten Nachrichtenmonopol. Sie wissen, wer die Kommunikation und das Narrativ kontrolliert, kontrolliert die Menschen. Und daher kommt auch die jüngste Attacke auf die Freiheit und Würde der Menschen – die Woke-Bewegung und die sogenannte Political Correctness.

Welche Macht hat die Woke-Bewegung?
Ausgehend von Amerika hat dieser Kult mittlerweile alle Bereiche unseres Lebens und Denkens durchdrungen. In Wahrheit handelt es sich dabei um eine besonders raffinierte Form der Pro­paganda, der Manipulation der ­Massen, der Zensur und der Unterdrückung der freien Meinungs­äusserung. Raffiniert, weil diese Einschränkungen der Freiheit, diese Unterdrückung im Mantel des Gutmenschentums daher kommen. Meine Generation hat sich an den Gedanken ge­wöhnt, dass Zensur und Unterdrückung immer von Rechts kommt, die Linken waren die Guten, sie standen für Freiheit und Demokratie. Berufsverbote kamen immer von rechts.Ich kann jedem nur raten, einmal einen Schritt zurückzutreten, alle ideologischen und parteipolitischen Überzeugungen für einen kurzen Moment beiseite zu legen, und das ganze Szenario neu zu betrachten: Was sehen Sie? – In Amerika und England werden Werke der Welt­literatur aus Bibliotheken entfernt oder umgeschrieben, damit sie dem Woke-Standard entsprechen.

Die Vereinigten Staaten leben heute unter einer totalitären Kultur, wie sie zu meinen Lebzeiten noch nie existiert hat, und sie ist in vieler Hinsicht schlimmer als die Sowjetunion vor Gorbatschow.

Helnwein zitiert Noam Chomsky

Die Universität Essex hat Werke wegen drastischer Darstellungen von Sklaverei „dauerhaft“ von Leselisten entfernt. August Strindbergs Stück Fräulein Julie findet sich nicht mehr in Kursen der Uni Sussex, weil darin über Suizid gesprochen wird. Charles Dickens, William Shakespeare und Mark Twain sind ebenso von den Aktionen betroffen. Die Universität Aberdeen warnt vor Shakespeare’s Sommernachtstraum, und auch Jane Austen, Charlotte Brontë und Agatha Christie haben Triggerwarnungen erhalten. Der Rolling Stones Song „Brown ­Sugar“ darf nicht mehr gespielt ­werden, weiße Musiker erhalten Auftrittsverbot wegen ihrer Rasta-Frisuren, Winnetou Bücher und Filme werden vom Markt genom­men, Otto Waalkes und andere Spaßmacher dürfen nur mehr mit Warnhinweisen im Fernsehen gezeigt werden, Märchen und Kinderbücher werden verboten oder umge­schrie­ben, das betrifft „Pippi Langstrumpf“ ebenso wie die Kinderbücher von Roald Dahl. „Jim Knopf“, „Die kleine Hexe“, „Das Dschungelbuch“, „Kevin – Allein in New York“ – werden als rassistisch gebrandmarkt. Eine Ausstellung des US Künstlers Philip Guston wurde gecancelt, weil auf Bildern in seinen Comicheften weiße Zipfelmützen vorkommen, die an den KuKluxKlan erinnern. Laut einem Bericht der taz hat das ukrainische Kulturministerium die Vernichtung der gesamten russischen Literatur in den Bibliotheken angeordnet. Für die Aktion „Russische Literatur ins Altpapier“ räumen Bürger*innen ihre Regale leer und werfen die Werke von Puschkin, Tschechow, Tolstoi oder Anna ­Achmatowa in dafür errichteten Sammelstellen auf einen riesigen Haufen zur Vernichtung. Dostojewski, Bulgakow und alle anderen russischen Autoren werden aus dem Unterricht gestrichen. ­Lebende Autoren, die einen rus­sischen Pass haben oder hatten, dürfen nicht mehr publiziert werden. Aber auch der Westen schließt sich diesem Vernichtungsfeldzug an: russische Schriftsteller, Künstler, Sportler und Medien werden mit einem Bann belegt. Die Münchner Philharmoniker haben ihren russischen Chefdiri­gen­ten Valery Gergiev entlassen, und die New Yorker Metropolitan Opera hat ihre Beziehungen zum russischen Bolschoi-Theater abgebro­chen. Tschaikowsky wurde aus Konzertprogrammen gestrichen. Sieht das nach mehr Freiheit aus?
Der linke Intellektuelle Noam Chomsky meint: „Die Vereinigten Staaten leben heute unter einer totalitären Kultur, wie sie zu meinen Lebzeiten noch nie existiert hat, und sie ist in vieler Hinsicht schlimmer als die Sowjetunion vor Gorbatschow.“ Ich zitiere nur.

Sie kritisieren die USA und das dort herrschende System scharf, fordern zumindest Augenmaß im Umgang mit Russland. Aber auch Sie wollen lieber in den USA leben als in Russland, oder?
Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, und die Frage, wo ich lieber lebe, kann ich schwer beant­worten, weil ich nur die eine Seite kenne. Ich habe viele Freunde in den USA, meine Enkel sind amerikanische Staatsbürger, ich lebe dort, habe dort meine Galerie, meine Sammler, mein Atelier, meine Homebase. Um ein Land zu beurteilen, muss man immer differenzieren zwischen den Menschen und dem Regime. Überall in der Welt haben die Menschen eigentlich die gleichen Bedürfnisse, Sehnsüchte und Ängste, und ohne Propaganda und Indok­trination kommen sie in der Regel auch sehr gut mitein­ander aus. Los Angeles ist ein gutes Beispiel dafür, wie fast 20 Millionen Menschen der unterschiedlichsten ethnischen Herkunft, Hautfarbe, Sprache und Religion friedlich zusammenleben.

Trotzdem muss ich gestehen, dass ich nicht ganz objektiv bin in meiner Entscheidung, wo ich leben will, denn Entenhausen liegt nun mal in Amerika, und da sind meine Wurzeln, die ich nicht verleugnen kann.

Helnwein


Ich habe auch in Russland Ende der 90er Jahre im Staatlichen Russischen Museum in Sankt Petersburg eine grosse Retrospektive gehabt und viele wunderbare Menschen kennengelernt, und ich habe eine grosse Affinität zur russischen Kultur, vor allem zur Literatur, die Teil unseres europäischen kulturellen Erbes ist.
Trotzdem muss ich gestehen, dass ich nicht ganz objektiv bin in meiner Entscheidung, wo ich leben will, denn Entenhausen liegt nun mal in Amerika, und da sind meine Wurzeln, die ich nicht verleugnen kann.

Dass die Woke-Bewegung Satiriker und Comedians, wo das Wort eine wichtige Rolle spielt, leicht canceln kann, liegt auf der Hand. Aber wie steht es um die bildende Kunst? Funkt Wokeness da auch hinein?
Natürlich, ohne Hemmungen. Bilder dürfen nicht mehr publiziert werden, in Museen werden Bilder abgehängt, Ausstel­lun­gen wer­den gecancelt. Bei meinen Mu­se­ums­ausstel­lun­gen müssen Warnhinweise aufge­stellt werden, mit der Empfehlung, dass Jugendliche unter 18 Jahren die Ausstel­lung nur in Beglei­tung Erwachsener sehen sollten. Ich finde es rührend, dass man sich solche Sorgen um Jugendliche macht, die von klein auf mit dem Smartphone in der Hand aufwach­sen, wo sie zu allem Zugang haben, was das Internet zu bieten hat.

Sie haben mit Künstlern zusammengearbeitet, die nun als eine Art Paria der Szene gelten, Stichwort Marilyn Manson, Stichwort Rammstein. Würden Sie heute noch mit diesen Künstlern arbeiten?
Man muss derartige Vorwürfe ernst nehmen, aber für jeden Beschuldigten muss immer die Unschuldsvermutung gelten, bis ein rechtsstaatliches Verfahren geklärt hat, ob an den Vorwürfen was dran ist. Wir können nicht zulassen, dass jeder beliebige Lynchmob im Internet durch einen Shitstorm Existenzen vernichten kann.

@ Hamish Brown

Sie sind seit Jahrzehnten etabliert, können es sich leisten, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Aber wie kann sich ein junger Künstler heute dagegen wehren, ­gecancelt zu werden?
Die meisten Künstler der jungen Generation werden keine Schwierigkeiten diesbezüglich haben, da sie das System, in dem sie aufgewachsen sind, verinnerlicht haben und vollkommen angepasst sind. Sie verstehen den Sinn des internationalen Kunstmarktes, in dem es um Investment, Status und die Möglichkeit einer außerordentlichen Karriere geht. Die Zeiten einer idealistischen, naiven, leidenschaftlichen oder kritischen Kunst, die aus einem inneren Anliegen kommt, sind wahrscheinlich vorbei.

In den letzten Jahren war man der Meinung, mit NFT eine neue Super-Währung für die Kunst gefunden zu haben. Ist mittlerweile auch schon wieder passé …
Ich bin diesbezüglich so entspannt und gelassen, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Ich habe schon so viele gehypte Trends miterlebt, die gekommen und sang- und klanglos wieder verschwunden sind. Kunst ist im Grunde ein rein geistiges, spirituelles Ereignis.
Die Relevanz von Kunst ist selbstevident, entscheidend ist, wie sehr sie einen Menschen berühren, ergreifen, bewegen, beglücken oder erschüttern kann. Kunst kann man nicht über die Ratio oder den ­Verstand erfahren oder mit wissenschaftlichen Methoden entschlüs­seln. Kunst kann man nur mit den Sinnen, der Seele und dem Herzen erfahren.

Künstliche Intelligenz? Ich finde das so langweilig, dass ich gleich in einen Tiefschlaf sinke.

Helnwein


Techniken, Medien, Methoden und Werkzeuge zur Herstellung eines Kunstwerkes ändern sich ständig, sie sind einfach Hilfsmittel, die es dem Künstler ermöglichen einer Vision, die im Prinzip rein geistig ist, und nur in seiner Vorstellung existiert, im physikalischen Universum eine Form zu geben, um sie für andere wahrnehmbar und ­erfahrbar zu machen.

Was, wenn die Kunst nicht mehr von einem Menschen gemacht wurde, sondern von einer künstlichen Intelligenz?
Diese ganze Hysterie um diese sogenannte Artificial ­Intelligence entspringt den überreizten Gehirnen einiger Computer Nerds, die zu viele Science Fiction Filme gesehen haben. Alle was ich bisher gesehen habe, sind Kopien von Kopien, nach dem Zufallsprinzip angeordnet. Ich finde das so langweilig, dass ich gleich in einen Tiefschlaf sinke.

Und was, wenn der Kunstmarkt das anders sieht?
Der Kunstmarkt kann das sehen wie er will, und die Menschen können gerne jedem Trend folgen und auf jeden Hype hereinfallen. Aber natürlich ist die sogenannte ­Artificial Intelligence ein hervorragendes Instrument, um jeden Menschen auf diesem Planeten zu überwachen und durch bestimmte Algorithmen die Gewohnheiten, das Denken und Handeln der Menschen zu beeinflussen. KI ist aber nur ein Instrument, und dieses Instrument wird von jemandem programmiert und benützt, und irgendjemand sammelt und verwertet die Daten, und diese Jemande sind Menschen mit ganz be­stimm­ten ­Interessen. Da ist gar nichts künstlich dabei, es geht einfach um Macht und Kontrolle. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, fragen Sie Edward Snowden. Oh, richtig, der sitzt gerade irgendwo in Russland und kann das Land nicht verlassen, weil er an jedem anderen Ort der Welt sofort verhaftet würde. Allerdings nicht von einer Artificial Intelligence, sondern von der Central Intelligence Agency.
Ich war immer erstaunt, wie leicht Menschen auf Propaganda hereinfallen, wie leicht es, sie zu beeinflussen und zu manipulieren. Ich habe mich eingehend mit ­diesem Thema beschäftigt und ich kenne die Anatomie der massenpsychologischen Beeinflussungsmethoden. Ich selbst bin immun gegen jede Form von Propaganda.

Macht nur der Krieg, oder macht auch schon die Propaganda die Menschen zu Bestien?
Ohne Propaganda gäbe es keine Kriege. Das Ziel jeder Propaganda ist es, das individuelle Denken und Empfinden auszuschal­ten und den Menschen zum Teilchen einer Masse zu degradie­ren, Propaganda richtet sich immer an die Masse, nie an den Einzelnen.
Wenn Sie Filme oder Fotos von Hitler-Reden ansehen, sehen Sie dann irgendwo ein Individuum?
Das einzige was Sie sehen, ist ein gewaltiges Monstrum mit tausenden ausgestreckten Armen, und tausenden offenen, schreiende Mündern. In Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ können Sie einen endlosen dunklen Brei mit tausenden Stahlhelmen bewundern, der sich wie ein riesiger Wurm rhythmisch durch die Nacht wälzt.
Ein wesentliches Grundprinzip jeder Propaganda ist es, die eine Seite immer als die Guten darzustellen und die andere als Monster. Damit habe ich aber ein Problem, vor allem dann, wenn die Guten mit Neonazis durchsetzt sind, wie zum Beispiel dem Asow-Bataillon, dessen Kämpfer mit Nazi-Runen, SS-Emblemen, Hakenkreuz- und Hitler-­Tattoos geschmückt sind.
Ein noch grösseres Problem habe ich aber, wenn der King of Woke, Premier Justin Trudeau, zusammen mit Selenskyj im kanadischen Parlament Herrn Yaroslav Hunka, einen Kriegsverbrecher und Mas­senmörder, einen ehemaligen Freiwilligen der SS-Division Galizien, mit Standing Ovations als Freiheitskämpfer feiert. Ach ja – der englische Journalist, der die Vergangenheit dieses Kriegsverbrechers aufgedeckt hat, ein gewisser Warren Thornton, ist daraufhin verhaftet worden, wegen „Malinformation“ in Videos, die er zuvor gepostet hatte, unter dem Schirm der britischen „Online Safety Bill“. Sie haben ihn verhört und mussten ihn dann wieder laufen lassen. Aber die Warnung an alle Journalisten ist deutlich.

Sie werden gerne als der Rockstar unter den Malern bezeichnet, immer schon, seit vielen Jahren. Und haben an diesem Image ja auch mitgebastelt. Ist das heute noch zeitgemäß?
Ich sag ihnen ehrlich, mir ist völlig wurscht, wer mich wie bezeichnet. Ich bin bewusst und gerne Außenseiter von jeder Art von System, es wird mir nie gelingen, Politically Correct zu sein. Meine Kunst, und meine Äußerungen ­haben immer für Aufregung ge­sorgt, und ich habe irgendwann ­kapiert, dass ich immer Gegenwind haben werde, was ich eigentlich für einen Vorteil halte, weil ich dadurch ­gezwungen bin, meine Position und wofür ich stehe, ständig zu über­prüfen.

 Zur Person:

Gottfried Helnwein wurde am 8. Oktober 1948 in Wien geboren. Er absolvierte in den 1960er-Jahren die Höhere Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, später studierte er Malerei an der Akademie der Bildenden Künste, unter anderem bei Rudolf Hausner. ­Bereits während der Ausbildung konzipierte und realisierte Helnwein Performances, Aufmerksamkeit erregten seine fotografischen Selbstbildnisse und seine Arbeiten zum Thema des verwundeten Kindes. Der bekennende Donald-Duck-Fan lebt abwechselnd in Irland und in den USA.