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Das kleine Tankstellen-Dramolett – eine unfassbar sinnlose und traurige Story

Ich hasse diesen Zuhälter. So richtig hasse ich den. Wahrscheinlich sogar abgrundtief. Seinen beschissenen BMW hasse ich auch, obwohl der mir nichts getan hat, ­irgendwie. Der Zuhälter auch nicht. Persönlich und so. Aber er sitzt im Espresso auf meiner Tankstelle. Atmet, trinkt Kaffee und macht sich wichtig. Das muss ­reichen, um ihn zu hassen.

Er hat einen Bugl, der auf ihn aufpasst. Mehr so aus Prestige, weil er eigentlich in gar keiner ­Gefahr ist. All die anderen Unterzuhälter wollen ihm sowieso nur in seinen rumänischen Arsch kriechen. Wenn der Bugl die Scheiben putzt vom Scheiß-BMW, geht er mit der brennenden Zigarette im Mund zur Zapfsäule, um den roten Wasserkübel zu holen. Der Tankwart schaut dann immer, ob seine Schuhe richtig gebunden sind, wenn Sie verstehen, was ich meine. Der Tankwart ist auch Rumäne, aber so ein Rumäne, wo die rich­tigen Rumänen sagen, dass das keine richtigen Rumänen sind. Jedenfalls der Tankwart mischt sich nicht ein. In nichts. Der Bugl hat ein Glasauge und ist noch sehr jung. Daheim war er ein guter ­Boxer, sagt man auf der Tankstelle. Dann hatte er diesen Unfall, und mit einem Auge kann man sich nur prügeln, aber nicht richtig boxen nach den Regeln und so. Irgendwann wird der Bugl sicher einen umbringen. Nicht auf dieser Tankstelle, sondern in Deutschland oder in Italien. Dann kann er im Gefängnis auf einen anderen Menschenhändler aufpassen, und blasen muss er dann auch, weil er auf seine morbide Art irgendwie fesch ist. Ich hasse den Zuhälter, und nicht den Bugl, damit das klar ist.

Den Harald mag ich. Der ist herrlich kaputt und sagt so herrlich kaputte Sachen. Irgendwann im Prater hat er ein paar Mal nacheinander am Automaten gewonnen, seitdem nennt er sich Professor. Oder ich glaube, es war so: Der Koberer von der Halle hat ihn Professor genannt und manchmal an den neuen Automaten zuerst spielen lassen. Angeblich, um Fehler zu finden, und es mag auch sein, dass der Harald langsamer verliert, aber am Ende verliert er immer alles. Außer um die Automaten kümmert er sich um seinen Dacia Sandero. Irgendwie ein rumänisches Auto, glaube ich, aber mit österreichischem Kennzeichen. Der Harald war auch mal Boxer. So richtig Boxer mit zwei echten Augen und Berufsschläger war er auch. Jetzt ist er in Frühpension und macht irgendwelche Geschäfte, und das Geld stopft er dann in den Automaten. Bis es weg ist, eben. Den Harald mag ich, aber das habe ich, glaube ich, schon erwähnt. Und ich würde immer auf den Harald setzen, wenn es mal eine Schlägerei gäbe, aber der Harald verkehrt auf anderen Tankstellen. Leider, wie ich anmerken muss.

Ein mal, ein einziges verschissenes Mal, war der Harald auf der rumänischen Tankstelle. Ich war leider nicht dabei, aber man hat es mir mehrfach erzählt. Ehrlich gesagt, ich wäre so unfassbar gerne dabei gewesen, aber dann hätte es auch anders laufen müssen, als es gelaufen ist. Jedenfalls da gibt es so Boxen, wo man sein Auto waschen kann, und der Harald war sehr motiviert wegen dem Dacia Sandero und der Außenreinigung. Jedenfalls ist der Zuhälter (der, den ich hasse, nur zur Erinnerung) telefonierend auf und ab gegangen, obwohl niemand seine Dreckssprache versteht oder verstehen will, und dabei ist er ins Sprüh­wasser vom Harald gekommen, der vielleicht ein wenig ungeschickt war mit dem Hochdruckstrahler. Dann hat der Zuhälter geschimpft. Der Harald hat zurückgeschimpft, und der Zuhälter, der gar nichts kann und scheinbar nicht bemerkt hat, dass sein Bugl nicht da war, wahrscheinlich am Klo oder so, jedenfalls hat der Zuhälter den Harald ins Gesicht geschlagen. Und der Harald war so verwirrt, dass er sich kurz sammeln musste. Dann hätte er den Rumänen zerhackt. Garantiert. Da kenn ich mich aus, wie sich der Harald auskennt mit dem Früchte-Bonus.

Der Tankstellenwart von der Tagschicht, auch einer dieser nicht richtigen Rumänen, nach denen man heutzutage nicht einmal mehr ein Schnitzel benennen darf, ist angelaufen gekommen. Leider im absolut richtigen Moment. Dann noch so ein stinkender Unterzuhälter. Einer mit Hirn offenbar. Soll es auch geben. Jedenfalls haben sie dem Harald fünfhundert Euro gegeben. So schlau waren die. Das muss ich zugeben. Der Bugl ist dann gekommen vom Klo oder so. Aber da war der Deal schon gemacht. Der Harald hat die fünf grünen Scheine bekommen und sie wahrscheinlich in den nächsten Automaten gestopft. Der Zuhälter hat weitertelefoniert, und der Bugl mit dem einen Glasauge hat wohl geraucht, und geschämt hat er sich wahrscheinlich auch. Alles ist normal weitergegangen. Ewig schade. Es ist alles so sinnlos, und traurig ist es auch irgendwie bei mir auf der Tankstelle. Ich hätte dem Harald sechshundert Euro gegeben, dass er sich wehrt. Aber ich Arschloch war ja nicht da. Irgendwie bin ich schuld an allem, aber nur ­irgendwie.


Götz Schrage
war bis vor Kurzem exklusiv am Zweirad unterwegs. Nach einem Unfall, bei dem er bewusstlos auf der Gumpendorfer Straße gefunden wurde und sich an nichts weiter erinnern kann, hat er als Spätberufener den B-Schein gemacht. Nun ist er auf den Straßen Wiens unterwegs. Die Ärzte meinen, es gäbe keinerlei Folgeschäden nach dem Unfall. Wir von der Redaktion sind uns da nicht so sicher.