Film & Serie

American Gods – Neue Götzen braucht das Land

Markus Höller

Aufklärung, Wissenschaft und Forschung über Jahrhunderte lassen uns heute über Aberglauben und Sagen schmunzeln, der Glaube an mythologische höhere Wesen hat in der westlichen Gesellschaft keinen Platz. Oder doch? Technikhörig, mediengeil und fernsehsüchtig, haben wir es eigentlich um nichts besser als unsere Ahnen – zumindest in der Augen der alten Götter.

Text: Markus Höller / Foto: Amazon.com

Während dieses Heft produziert wird, rollt auf Amazon Prime gerade die dritte Staffel der ausgesprochen ungewöhnlichen Serie „American Gods“ an – für alle, die neu einsteigen, also noch ein wenig Zeit, um die ersten je acht Folgen von Season 1 & 2 aufzuholen. Aufgemerkt: Speziell für Besitzer eines 4K-fähigen TV-Geräts lohnt sich der Stream in bestmöglicher Qualität, denn Produktionsqualität und Kameraarbeit gehören aktuell zum Besten, was man sich über den Äther in die Lockdownhöhle runterzutzeln kann.
Aber die technische Raffinesse ist nur ein kleiner Teil des famosen Gesamtpakets, das die Serie ausmacht; mein Schwärmen darüber ironischerweise auch einer der grundlegenden Knackpunkte des Konzepts. Dieses stammt aus dem Roman von Neil Gaiman und stellt Leser und folglich auch Zuseher vor eine interessante Prämisse: parallel mit der Entdeckung der neuen Welt fielen die meisten Menschen von ihrem Glauben an alte Götter ab – die es aber wirklich gibt. Blöd nur, dass diese in ihrer Existenz vom Glauben an sie abhängig sind. Viele davon strandeten in den USA der Neuzeit und fristen, mehr schlecht als recht, ein Dasein weit weg von den einstigen Glory Days. Nordische, slawische, afrikanische Götter und viele mehr grundeln desillusioniert dahin, während sich die Menschheit dazu entschlossen hat, neue Götzen ­anzuhimmeln: Technik, Medien, Autos, Waffen und so weiter. Diese neuen Götter gefallen sich gut in ihrer Rolle, in ihrer Durchtriebenheit und ihrem Hedonismus stehen die glatten Emporkömmlinge den alteingesessenen unsterblichen Arschlöchern wie Anubis oder Odin um nichts nach.

Letzterer wird vom charismatischen Ian McShane verkörpert, in seinem weltlichen Auftritt als Mr. Wednesday nimmt er den menschlichen Ex-Knacki Shadow Moon unter seine Fittiche, um ihm bei seiner Mission zu helfen: verschiedenste andere alte Gottheiten zu mobilisieren und die neuen Götter zu entmachten. Zahlreiche Nebenplots offenbaren ein durch und durch abstoßendes Sittenbild der vermeintlich überlegenen Wesen, während sich der Konflikt zwischen Has-beens und Would-bes immer mehr zuspitzt.

Die Showrunner haben sichtlich Freude daran, alle möglichen Gestalten aus diversen Mythologien einzubringen, auch Fabelwesen und personifizierte Naturereignisse dürfen in dem ganzen Intrigantenstadl mitmischen. Diese manchmal wiederkehrenden Gastauftritte sind auch hochkarätig besetzt, ­unter anderem geben sich Gillian Anderson, Peter Stormare, Crispin Glover oder Kristin Chenoweth die Ehre. Aber auch die Stammbesetzung mit Ricky Whittle in der Rolle des Shadow Moon, Emily Browning als seine Freundin oder Pablo Schreiber als irischer Leprechaun sind mit großer Spielfreude dabei, gerade dann, wenn es äußerst ­grafisch zur Sache geht. Denn eines ist seit Anbeginn der Zeit bekannt: die Götter machen keine halben Sachen, weder beim Feiern, Sex oder Manipulieren noch bei der Anwendung von Gewalt. Und da stehen sich die alten und die neuen American Gods ­gegenseitig um nichts nach.

American Gods
by Bryan Fuller & Michael Green. Mit Ricky Whittle, Ian McShane, Emily Browning; 3 Staffeln; Amazon Prime.