Bingewatch Spezial

GLOW – Emanzipation im Ring

Markus Höller

Schon lange vor Quoten, Genderdebatten und Hashtagfeminismus gab es Bereiche der Unterhaltung, in denen Frauen erfolgreich ihre, nun ja, Frau stehen konnten. Zum Beispiel im Profi-Wrestling der 80er Jahre.

Text: Markus Höller / Fotos: Netflix

„Gorgeous Ladies of Wrestling“, oder als klingendes Akronym GLOW vermarktet, hieß das 1986 von Sport-Unternehmer David McLane ersonnene Wrestling-Format, das erstmals im großen Stil Frauen promotete. Was heute mit Superstars wie Paige, Nikki Bella oder Charlotte Flair ein völlig selbstverständlicher und ebenso beliebter wie profitabler Teil des Milliardenimperiums der WWE von Vince McMahon ist, war damals noch ein recht riskantes Novum. Nach schlauen Castings mit Schauspielerinnen, aber auch (exotischen) Tänzerinnen und Stuntfrauen sowie gut durchdachtem Kayfabe nahm die Show schnell Fahrt auf und wurde zum Publikumshit. Der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte.

Genau diese Story nahmen sich die Autorinnen Liz Flahive und Carly Mensch als Inspiration und Vorlage, um in insgesamt 30 Folgen das Entstehen und Reüssieren eines erfolgreichen Frauen-Wrestling-Formats in den 80ern zu inszenieren. Das Grundkonzept und der Titel GLOW ist dabei nur als Richtung zu verstehen; Personen und Handlung sind fiktionalisiert. Dabei geht es in der Retro-Dramedy nicht nur um den Sport und das Showbiz an sich, sondern vor allem um die höchst komplexen zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonistinnen untereinander. Denn diese sind nicht nur vor der Kamera und im Ring völlig unterschiedliche Charaktere mit teils bizarren Backstories, sondern eben auch im echten Leben. Und das im ständigen Kampf ums anfänglich finanzielle Überleben, künstlerische Visionen, und in den patriarchalischen Strukturen, die vor 30 Jahren noch in einem völlig anderen Maß das Showbiz dominierten als heute. Der Show-Regisseur Sam Sylvia, fein gespielt von Marc Maron, ist der typische Alpha-Macho mit doch weichem Herz, als Gegenpol gibt Chris Lowell als prototypischer 80er-Schnösel und Softie Sebastian „Bash“ Howard den Geldgeber und Produzenten. Das war es dann aber auch schon mit der Männerwelt im GLOW-Universum, die sonst nur auf austauschbare Lover, versagende Ehemänner und sonstige Wappler reduziert wird.

GLOW

Im Mittelpunkt stehen logischerweise die Frauen. Speziell die Chemie zwischen Alison Brie in der Rolle der Ruth Wilder alias „Zoya the Destroya“ und Betty Gilpin als Debbie Eagan alias „Liberty Belle“ ist phänomenal. Ruth, das darbende Mauerblümchen, als Seitensprung für das Ehe-Ende von Seriensuperstar, Mutter und Trophy Wife Debbie verantwortlich, wird im Ring kurzerhand als sowjetische Bedrohung für das All-American-Girl Debbie gecastet. Perfekt. Aber auch die Engländerin Rhonda Richardson alias „Britannica“, gespielt von der britischen Singer-Songwriterin Kate Nash, reizt Stereotype ungeniert aus. Wie es halt so war in den 80ern, weit weg von der alles zerfressenden, humorbefreiten Political Correctness von heute.

Da gibt die Orientalin die Terroristin, die Schwedin die Wikingerbraut und so weiter. Alles nur fürs Showbiz, selbstverständlich. Denn was die – nebenbei famos bis ins kleinste Detail die 80er zelebrierend – Serie perfekt umsetzt: starke Frauen brauchen keine Quote, keine Stellvertreter-Empörten und keine Medienkampagnen. Sie können über sich selbst und Klischees lachen, aber dennoch erfolgreich sein. Und legen jeden auf die Matte, der ihnen komisch kommt, egal ob im Ring oder am Hotelzimmer.

GLOW by Liz Flahive & Carly Mensch. Mit Alison Brie, Betty Gilpin, Marc Maron, Kate Nash, Chris Lowell u.v.m.; 3 Staffeln, Netflix.