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Oscar Bronner – Alles oder nichts

Er mag einfach nicht in einem Land leben, das keine Zeitung hat, die ihm gefällt. Deshalb gründet er halt eine. Am 17. Oktober bringt Oscar Bronner seine neue Tageszeitung heraus. Titel: „Der Standard“. Notwendig hätte der „trend“-Gründer dieses Wagnis nicht: In den letzten Jahren machte er auch als Maler Karriere. (aus dem Oktober-WIENER 1988)

von Gunter Baumann

Krone-Chef Hans Dichand, nicht gerade abgeneigt kleinformatigen Äußerungen, gerät ins Schwärmen: Oscar Bronners neue Bilder seien „wie eine offene Tür zum Träumen“. Gemeint war eine Kollektion von kühl erotischen Frauenakten, allesamt exakt 152 mal 203 Zentimeter groß, die im Frühsommer in Dichands Galerie Würthle präsentiert wurden. Viel Prominenz tummelte sich bei der Ausstellungseröffnung; die Preisschilder hingen hoch: Wer einen echten Bronner im Wohnzimmer haben will, muss 65.000 Schilling ablegen.

Bronner, der Maler, hatte zu diesem Zeitpunkt seine offene Tür zum Träumen längst geschlossen. Seit Monaten keine Farbe mehr angerührt, kein künstlerischer Standard ist erreicht, der journalistische „Standard“ harrt der Geburtsstunde: „Ich arbeite so hart an der Zeitung, dass ich gar nicht darüber nachdenke, wie sehr mir das Malen abgeht.“

Bedrucktes Papier und bemalte Leinwand sind die zwei Lebensschatten Oscar Bronners – ein Quantensprung, so groß, dass er an den sonderbarsten Konzern der Wirtschaftswelt erinnert: an das Haus Yamaha, das mit aller Selbstverständlichkeit Motorräder und Konzertflügel fabriziert.

Für Bronner selbst ist es kein Problem, die galaktischen Distanzen zwischen seinen zwei Welten auf Schrittweite zu verkürzen: „Maler und Schriftsteller waren seine Berufswünsche als Teenager.“ Im Anton-Danhauser-Gymnasium langte es „nur“ zur journalistischen Leidenschaft, welche zur Sucht werden kann. Doch mit Glück und Finesse landete Bronner den größten Mediencoup der siebziger Jahre. 300.000 (geborgte) Schilling hatte er in der Tasche, als er 1969 den „trend“-Verlag gründete. Um 18 Millionen verkaufte er fünf Jahre später seine „trend“- und „Profil“-Anteile an den Kurier. Reich an Geld und arm an Sorgen übersiedelte der gerade 31-jährige Ex-Verleger nach Amerika. Sechs Monate wollte er in New York leben – 13 Jahre sind es dann geworden.

In Manhattan mietete er ein Loft mit prächtigem Blick auf Chinatown und die Brooklyn Bridge. Und begann zu malen, um rasch festzustellen, dass er den Magazin-Glamour mit einem Eremitendasein vertauscht hatte. „Malen“, sagt Oscar Bronner, „ist ein verdammt einsames Geschäft.“ In der Anfangszeit verkaufte er seine Bilder vorwiegend dem Papierkorb oder dem Fundus an. „Ich fand, ich war noch nicht weit genug, um etwas zu verkaufen.“

In den „selbstquälerischen Prozess“ des Malens baute er sich zusätzliche Schikanen ein. Bronner, der nie eine Kunstakademie von innen gesehen hat, entwickelte eine Technik des Alles oder Nichts. Seine großflächigen Bilder entstehen in einem Arbeitsgang. Sind die Farben einmal trocken, ist keine Korrektur mehr möglich. Dieter Ronte, Chef des Wiener Museums Moderner Kunst, über Bronners Arbeitsweise: „Verdünnte Acrylfarben werden auf die Leinwand gespritzt.

Die zu einem Bild benötigte Farbe wird aufgeschüttet. Der Malprozess ist schnell, er ist abhängig von der schnellen Trocknung der Acrylfarben. Viel länger als 30 Minuten sollten die Farben auf der Leinwand nicht vermischt werden. Ein selbstquälerischer Prozess, in der Tat. Dieter Ronte: Die Anlaufzeit, das Malen zu beginnen, ist lang. Der Maler muss sich in den Zustand des „Malenkönnens“ hineinversetzen lassen, ihn suchen und herausfordern. Nur wenige Bilder überleben. Solche, die der Kritik nicht standhalten, werden neu grundiert, übermalt oder vernichtet.

Seit einigen Jahren malt Bronner nicht mehr mit dem Pinsel, sondern mit seinen Fingern. „Oscar Bronner knetet die Kunstgeschichte mit Fingern durch“, schrieb der Kritiker Paul Kruntorad. „Am Anfang musste er häufig pausieren, weil er sich beim Einarbeiten der Farbe in die Leinwand die Fingerkuppen blutig gerieben hat. Dann entdeckte er den Schutz von chirurgischen Handschuhen. Bei der Berg-und-Talfahrt durch die Kunstgeschichte wird er einen Sturzhelm brauchen, um sich im Kunstbetrieb keinen blutigen Kopf zu holen.“

Manchmal bekommt er kräftige Hiebe. „Kurier“-Kritiker Jan Tabor etwa ließ an der Bronner-Ausstellung in der Galerie Würthle kein gutes Haar. Seine hämische Quintessenz: „Wenn Oscar Bronner gerade keine Zeitung gründet, dann malt er. Schwer zu sagen, was ihm letztlich besser gelingt, malen aber kann er nicht.“ Bronner zuckt die Achseln: „Verrisse gehören zu diesem Handwerk. Und wahrscheinlich ist es schwer für einen Kritiker, einen Maler zu beurteilen, der nicht in die üblichen Klischees passt.“

Schlägt da vielleicht in der Kritikermeinung negativ durch, dass er Autodidakt ist? Bronner: „Kurt Moldovan war mein Privatlehrer. Und Fritz Wotruba hat mir Tips über die Bildhauerei gegeben. Seine Elektion war ein Exkurs in die Sinnlosigkeit des Studiums.“

Durchaus autodidaktisch steigt er jetzt auch ins Zeitungsgeschäft ein. Seine Erfahrungen mit der Tagespresse beschränken sich auf ein paar Gastauftritte bei „Presse“ und „Kurier“. Ex-Profil-Chefredakteur Michael Lingens äußerte sich in einem „Cash Flow“-Interview vorsichtig: „Ich weiß nicht, ob Bronner das kann“, sagte er. „Er ist ein brillant gescheiter, durchsetzungsfähiger Mensch und versteht sehr viel von Zeitungen.“

Der deutsche Springer-Verlagskonzern dürfte jedenfalls genug Vertrauen in Bronners Fähigkeiten haben. Er stellte das riesige Kapital zur Verfügung (Gerüchte sprechen von 280 Millionen Schilling), das notwendig ist, um den „Standard“ in Schwung zu bringen. Mit einer 30-köpfigen Redaktion geht Bronner an den Start. Und mit wenig Illusionen. „Es stimmt, wir wollen die beste Zeitung Österreichs machen. Aber ‚Der Standard‘ wird sicher ein Minderheitenprodukt sein. In einem Land, wo die Leute jahrzehntelang systematisch entwöhnt wurden, große Zeitungen zu lesen, wird es Jahre brauchen, bis man sie wieder dazu bringt.“