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Darling, ich bin im Klub!

Schluss mit Ich: Stell dir vor, im Netzwerk ist Shitstorm, und keiner geht hin. Weil alle im Klub sind, ganz analog, wie früher. Der WIENER pocht auf ein Comeback der Interessensgemeinschaften. Und erklärt, warum.

Text: F. J. Sauer & M.S. / Fotos: Christina Noélle

Kennst du den?

Der Astronaut Neil Armstrong flog zum Mond und machte dort fünf Selfies. Die Influencerin Kylie Jenner ging ins Badezimmer und machte dort 105 Selfies. Wo ist da der Witz, wirst du jetzt fragen. Nun, das ist kein Witz. Es ist Realität. In den vergangenen fünf Jahrzehnten ist eben gigantisch was passiert. Die digitale Revolution zum Beispiel. Die man am besten in Dollars erklären kann: Die 20-jährige Ms Jenner, in Sachen Selbstvermarktung das Maß aller Dinge, ist Milliardärin. Die jüngste self(ie)made Milliardärin aller Zeiten. Dank Zuckerberg, wenn auch früher als Zuckerberg (der WIENER berichtete). Der 2012 im Alter von 82 Jahren verblichene Mister Armstrong, von den USA ausgerufener „Titan der Nation für immer“, weil eben erster Mensch am Mond, war das nie. Nicht, dass er arm war. Er konnte sich die Farm im Libanon, die er kaufte, easy leisten. Er hätte allein durch die Vermarktung seines historischen Satzes („Ein kleiner Schritt für einen Mensch, ein riesiger für die Menschheit“) Millionen machen können. Nur hatte er keinen Bock auf sowas. Höhenflüge im Weltraum eröffnen wohl andere Perspektiven.

Willkommen im Club! Mirjam Schweighardt fotografiert von Christina Noélle, Hair & Make Up: Destiny Kismet, Styling: Alex Pisecker, Outfit: Intimissimi: BH: 45,90 Euro, Slip: 15,90 Euro, Strumpfgürtel: 25,90 Euro, alles intimissimi.at, Calzedonia: Strümpfe: 14,95 Euro, calzedonia.at, Pumps: Guess, 129,90 Euro, salamander.at

Heute dreht sich alles um Höhenflüge im Netz. Influencer haben Hochkonjunktur, sogar in Österreich. Die notwendige Followerlatte zum Ruhm ist ja schon lange nicht mehr so hoch wie die von Jenner gesetzte Marke (114 Mio). Hierzulande reichen 30.000 Followers, und „du merkst, dass Leute dich erkennen“, wie das Grazer Model Anna Francesca dem WIENER erzählt, „und plötzlich rufen Firmen an und bieten Geld.“ Für Selfies von dir mit ihren Produkten.

GLÜCKSRITTER 2.0

Man sieht schon: nie war es so einfach wie heute, prominent zu werden. Myspace zu Beginn, dann Youtube, Twitter und schließlich Facebook nebst Instagram machen es möglich, dass man sich selbst zum Superstar hochjazzen kann. Jedermann kann sich also ohne mediale oder sonstige kostspielige PR-Unterstützung eine Fangemeinde heranzüchten, die auf den mehr oder minder sinnbringenden Rödel an Ereignissen, den er oder sie so tagtäglich erlebt, eifrig abfährt. Der größte Club der Welt namens Facebook, der noch dazu keine Mitgliedsbeiträge einheimst, hat binnen kürzester Zeit das Flugblatt obsolet gemacht, ist zur mächtigsten Pinnwand der Welt geworden. Parties, Tonträger, Videos, Produkte, so ziemlich alles wird via Social Media an den interessierten Menschen gebracht, der ob seiner Click-Gewohnheiten im Netz sowieso alle Konsumvorlieben bereitwillig offenlegt. Das Job-Produkt dieser spannenden Zeiten ist eben jener, superhippe Influencer. Der seine oder ihre selbst erarbeitete Online-Popularität potenten Konzernmarken zur Verfügung stellt, um ihre Produkte darin zu sonnen. Dies freilich gegen bare Münze, von der sich auch Facebook seinen Anteil holt. Per Werbeeinschaltung oder kostenpflichtigen Reichweiten-Boost.

Schluss mit Ich, ich ich! Mirjam Schweighardt fotografiert von Christina Noélle, Hair & Make Up: Destiny Kismet, Styling: Alex Pisecker, Outfit: Intimissimi: Slip: 15,90 Euro, Bustier mit Schleier: 49,90 Euro, beides intimissimi.at, Pumps: Guess, 129,90 Euro, salamander.at

Was dabei gerne außer Acht gelassen wird, durften die „Glücksritter 2.0“, all jene also, die ihr Geschäftsmodell solide mit Facebook, Instagram und Co verquickt hatten, im vergangenen Frühjahr erleben, oder besser gesagt, erleiden. Von heute auf morgen stellte man im fernen Palo Alto die Algorythmen von Facebook tiefgreifend um und somit die bis dahin gültigen Mechanismen des „Broadcast Yourself“ auf den Kopf. Das Ergebnis: Reichweitenabstürze mit kritischen Auswirkungen auf Influencer, Social Media-Agenturen und deren Spin-offs. Selbst der WIENER, dessen Online-Auftritt zeitgemäß auf der Facebookwelle surft, nahm markant Kenntnis von den Vorgängen im Silicon Valley, wenn auch ohne nennenswerte finanzielle Folgen, weil wir diesbezüglich stark diversifizieren und auf Displaywerbung verzichten. Aber selbst die inhaltliche Online-Strategie einer kleinen Medienbude wie der unseren alle paar Monate an die Launen von Facebook anzupassen kostet Zeit und Geld. Wie muss das dann erst bei Unternehmen einschlagen, die einzig und allein von ihrer Facebook-Reichweite leben?

Nie war es so einfach wie heute, prominent zu werden. Youtube, Twitter, Facebook und Instagram machen es möglich, dass man sich selbst zum Superstar hochjazzen kann.

Was uns also längst unheilvoll am Horizont dräuen sollte: Facebook und Co sind zwar riesige Clubs, aber keine, deren Statuten durch die Gemeinschaft ihre Mitglieder festgesetzt wurden, also verlässlich Vertrauen generieren. Social Media sind Medienkanäle mit eigenem Geschäftsmodell, das Marc Zuckerberg und Gefolge immer jenem ihrer Nutznießer voranstellen werden. Soll heißen: Des Influencers Fame kann über Nacht beendet werden, wenn sein Ruhm dem Netzwerk nichts mehr bringt oder gar schadet. Ohne Vorwarnung, ohne Schiedsgericht, einfach so. Und das übrigens nicht mal zu Unrecht: Wer Facebook mit einer Charity-Organisation verwechselt, die für ihre Mitglieder da zu sein hat, ist nichts als naiv. Marc Zuckerberg hat das Ding gegründet, um Geld zu verdienen, uns alle lässt er freundlicherweise mitspielen, ohne gewerkschaftlich organisierte Rechte oder ähnliches. Also darf er sich auch ganz ohne Genierer einen Dreck darum scheren, was sich Mitglieder, Influencer oder Social Media-Agenturen von seinem Mega-Netzwerk wünschen oder gar erwarten. So einfach ist das.

In den 80ern platzen die heimischen Tennisclubs aus allen Nähten. Mirjam Schweighardt fotografiert von Christina Noélle, Hair & Make Up: Destiny Kismet, Styling: Alex Pisecker, Outfit: Intimissimi: BH: Balconette, 35,90 Euro, Slip: 19,90 Euro, beides intimissimi.at, Calzedonia: Strümpfe: 14,95 Euro, calzedonia.at

Derlei hört der monomanische Lifestyle, an den wir uns mittlerweile solide gewöhnt haben, gar nicht gerne. Die Gegenwart ist vom Individualismus geprägt, der dominante Beziehungsstatus ist Single, die Zeit wird schon lange hauptsächlich vom vernetzten Computer beansprucht. Das fühlt sich kaum falsch an, denn dort sind ja deine „Freunde“, und zwar bis zu 5000 Stück davon, ebenso permanent präsent wie Du selbst. Bis du einen algorhythmischen Mittelfingerzeig später allmählich merkst, dass da maximal 20 dieser Freunde auf deiner Spur sind und tatsächlich mitkriegen, was Du so treibst. Du merkst es, weil plötzlich die Likes ausbleiben, und was ist der online-Surfer ohne Likes, existiert er dann überhaupt? Kriegen die Verwalter deines Netzwerkes dieses Aufflammen einer digitalen Sinnkrise mit, reagieren sie schnell und gewitzt, indem sie dir eine Einladung schicken. Den Verfasser dieser Zeilen erreichte kürzlich die Aufforderung einer FB-Userin, die nunmehr 8-jährige Freundschaft mit ihr per Posting zu feiern. Nur gab es in diesen acht Jahren nicht eine einzige digitale Interaktion …

Des Influencers Fame kann über Nacht beendet werden, wenn sein Ruhm dem Netzwerk nichts mehr bringt oder gar schadet. Ohne Vorwarnung, ohne Schiedsgericht, einfach so.

Aber was solls, dann eben Sex. Irgendeine Rechtsgewischte via Tinder treffen und auch gleich testen. Geht wie am Fließband, erzählte uns Autorin Verena Bogner, und ist halt auf Dauer auch, hm, entsprechend. „Dates sind nichts Besonderes mehr, bei Fails gibt es üppig Ersatz.“ (Bogner) Was allerdings langsam auch zu Umdenken führt: „Ich erlebe immer mehr“, sagt Bogner, „dass persönliche Kontaktzonen wieder wahrgenommen werden.“

Ran ans knisternde Lagerfeuer

Solche Zonen lassen sich in der digitalen Megalomanie von Facebook und Co nie finden, auch wenn dir das die gefakte Virtualität des Mediums vorgaukelt. Jene Kontaktzonen, die wir meinen, haben den Wärmeffekt eines wohlig knisternden Lagerfeuers. Sie können nur einen eingeschränkten Personenkreis wärmen, den aber dafür nachhaltig. Die guten, alten, analogen Klubs sind wieder angesagt, weit mehr als in den monolithisch-egoistischen 1990ern und 2000ern. Lagen etwa Tennisclubs, deren Mitgliederzahlen in den famosen 80ern (Muster, Skoff, Antonitsch!) weit über 1000 zählten, anno 1997 mit gerade mal 200 Beitragszahlern darnieder, erfreuen sich jene Vereine, die die Dürre überlebt haben, über gesunden Zuwachs auf den Mitgliederlisten. Und nicht nur geriatrische Geburtsjahre kommen zurück auf den Sandplatz. Vor allem jüngere Semester freuen sich über Sport im Kreise ihrer Freunde, mit anschließendem Erholungsbier im Klubhaus, nebst gelegentlicher Kartenpartie und regelmäßigen Grillabenden – ein bisschen Biedermeier, aber, was solls. Auch in den Golfklubs von Wien und Umgebung werden die Driving Ranges nicht mehr bloß von Business-Yuppies bevölkert. Heutzutage geht der Ehrgeiz zum richtigen Drive durch die Golfplatz-Jugend. Wenn sich dabei auch noch Geschäftsbeziehungen ergeben, ist das zwar ein angenehmer Nebeneffekt, aber auch wiederum gegen die heilige Work-Life-Balance.

Auch Yoga lässt sich clubmäßig organisieren. Mirjam Schweighardt fotografiert von Christina Noélle, Hair & Make Up: Destiny Kismet, Styling: Alex Pisecker, Outfit: Intimissimi: BH: 39,90 Euro, intimissimi.at

Apropos Fitness: Hiermit ist längst nicht mehr BlingBlingSchmafu wie die Influencer-Fitness Marke Scott Disick gemeint – ein Freund von Courtney Kardashian, der genau dafür berühmt ist, eben einer ihrer Freunde zu sein, und zurecht dafür „gedisst“ wurde, einen Protein-Drink mit dem Insta-Claim „wieder mal Morgensport mit meinem Shake in der Hand“ zu bewerben, während die Zwiebel am Handgelenk des feschen Sportsmanns am Insta-Foto einwandfrei 4 Uhr Nachmittag anzeigte. Nein, hier geht’s um richtige Fitness, im Studio, unter Gleichgesinnten, mit Schwitzen und allem. Die Zeiten, da eine Mitgliedskarte im Manhattan, beim Zimmermann oder im engen Hietzinger Alvarez ein exklusives Gut waren, sind passé. In jeder Geldtasche findet sich heutzutage neben Billa-Clubkarte und ÖAMTC-Ausweis eine Gesundheitskreditkarte vom Fitnessclub ums Eck, die man mit regelmäßigem Workout sozusagen aufladen kann. Diese Health-Tempel locken mit schicker Lounge-Atmosphäre und es scheint, als könnte es davon gar nicht genug geben im innerstädtischen Bereich. Unterstützt vom persönlichen Health-Coach am Handy mit Schrittzähler und Konsorten lässt sich so das ewige Leben quasi per App downloaden, was sich gut mit diversen Fusion-Koch-Clubs und deren ganzheitlichen Ernährungsweisheiten koppeln lässt. Yoga, von Bikram bis Tantra, lässt sich clubmäßig organisiert viel besser praktizieren als allein daheim vorm Instruktions-Video. Und wenn dann plötzlich wieder Tarock-Clubs in altehrwürdigen Kaffeehäusern aus dem Boden schießen, die nicht nur von Methusalems in Begleitung ihrer Großeltern besucht werden, ist der Club endgültig wieder in der greifbaren Mitte unserer Gesellschaft angelangt.

WILLKOMMEN IM KLUB

Ein Klub, was ist das überhaupt? Hier die Definition: eine Gesellschaft bzw ein Verein aus zwei oder mehr Leuten, die ein gemeinsames Interesse oder Ziel verbindet. Dabei ist ein Klub nicht von der Willkür irgendeines Zuckerbergs abhängig, sondern sein Gefüge basiert auf gemeinschaftlich entworfenen Statuten. Er ist verhaltensökonomisch, die „objektive“ Realität schrumpft auf eine durch das gemeinsame Interesse geschaffene Realität, was auch interessante Sozial-Phänomene triggert. Beispiel: die Fanklubs im Fußball. Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie der englischen Universität York zeigte, mögen die Fans zweier Teams zwar dieselben 90 Minuten eines Spiels sehen, aber ihre Wahrnehmung ist eine unterschiedliche. Ein Elfmeterpfiff, der den einen Fans als gerecht erscheint, wird vom anderen Lager der Blindheit des Schiedsrichters zugeordnet, das aber in beiden Fällen homogen. Teil einer Gruppe zu sein, ändert die Art und Weise, wie wir die Welt sehen. Was doch auch angenehm ist. Unter Gleichgesinnten fühlst du dich wohl. Zumindest, wenn die gleiche Gesinnung nicht von einem Boss gesteuert wird. Aber das war bei Klubs von Anfang an bewusst nicht der Fall.

Ein Klub ist nie von der Willkür irgendeines Zuckerbergs abhängig, sondern sein Gefüge basiert auf gemeinschaftlich entworfenen Statuten.

Die ersten sozialen Klubs der (westlichen) Geschichte waren englische Arbeiterklubs. Sie entstanden in den frühen 1860er Jahren. Die Zivilisation erlebte gerade eine vollkommen neue Phase – die Industrielle Revolution –, und die Motivation dahinter wurde von einem ähnlichen Unbehagen befeuert wie nun die Digitale Revolution Marke Zuckerberg: einem schlechten Deal mit dem Boss. Deshalb waren die Arbeiterklubs immer unabhängig, in jener Zeit höchst ungewöhnlich. Die elitären Klubs der Universitäten, also des Establishments, waren nie unabhängig. Dort ging es um Elite, um die in die Wiege gelegte Abstammung von einflussreichem Bürgertum und Aristokratie, um Branding: Wer dort Mitglied war, war wer.

Freimaurer: Die Loge des Grossorient von Österreich haben auch Frauen in ihrer Mitte. Mirjam Schweighardt fotografiert von Christina Noélle, Hair & Make Up: Destiny Kismet, Styling: Alex Pisecker, Outfit: Intimissimi: BH: 45,90 Euro, Slip: 15,90 Euro, intimissimi.at, Calzedonia: Strümpfe: 14,95 Euro, calzedonia.at Pumps: Guess, 129,90 Euro, salamander.at

Und heute? Fasst man aktuell die berühmtesten Eliteklubs der Welt ins Auge, müsste man spontan annehmen, es stünde eher schlecht um das Clubwesen. Der notorische, aus Oxford-Studenten gespeiste Bullingdon Club, zum Beispiel, wird von der Uni Oxford nicht mehr als Institution anerkannt. Vor 200 Jahren gegründet, waren die Mitglieder nur männlich, nur weiß, immer immens betucht – und berüchtigt für ihre Gelage in Restaurants und Bars, die sie am Ende stets zertrümmerten, um den Schaden sofort wie arrogant bar zu bezahlen; notorisch für Sperenzchen, wie einem Bettler einen 50-Pfund-Schein vor Augen zu halten, um ihn gleich darauf zu verbrennen. Die Bullingdons waren Leute wie Ex-Premierminister David Cameron oder Nochparlamentarier Boris Johnson – sowas ist ab sofort nicht mehr möglich. Bullingdons sind heute politisch out. Stattdessen hat sich nun der sogenannte „Presidents of Colour“-Club etabliert, mit Mitgliedern aller Rassen und Geschlechter, geprägt von gemeinsamen, seriösen Interessen. Elitäre Bünde sind nicht mehr en vogue, es herrscht Öffnung, Tauwetter sozusagen. Und das bis hinauf in den Olymp der sagenumwobensten Männerbünde ältester Provenienz.

Tritt man nun nicht als Einzelkämpfer, sondern als ganze Horde von Titanen auf, wird sich der Tyrann mit dem Verbannen in die Pampa schwerer tun als dereinst Zeus mit Prometheus.

Die Freimaurer etwa, jener mystische Geheimbund von Männern, dem stets nachgesagt wurde, hinter den Kulissen die Marionettenschnüre der Weltmächte fest im Griff zu haben, gibt sich neuerdings überraschend offenherzig – nicht zuletzt, um mit eben jenen Vorurteilen und Verschwörungstheorien ein für alle Mal aufzuräumen. So ist das Internetportal „freimaurerei.at“, der Netzauftritt der einzigen von der Vereinigten Großloge von England anerkannten heimischen Großloge, nämlich jener „der alten freien und angenommenen Maurer von Österreich“ mit Sitz in Wien, frei zugänglich. Ohne jede Passwort-Firewall wird dort dezidiert, und von Großmeister Dr. Georg Semler persönlich per Impressum gezeichnet, dargelegt, dass die Freimaurer weder eine politische der weltanschauliche Richtung vertreten, noch in Konflikt mit der katholischen Kirche stehen. Selbst die gern ehrfürchtig gestellte Frage, was einem Freimaurer geschieht, der wieder aus dem Männerbund austreten will, wird kurz und lapidar, wie eindeutig beantwortet: „Gar nichts. Bitte glauben Sie den Unsinn nicht, der immer wieder verbreitet wird.“ Auch der Aufnahme neuer Brüder gegenüber zeigt man sich via Internet offen und gar nicht dem öffentlichen Ruf der Freimaurerei entsprechend. Zwar ist die Empfehlung neuer Mitglieder durch einen Bundesbruder weiterhin gern gesehen, aber auch der Beitritt aus eigenem Antrieb ist möglich. Wohl hat der „Suchende“ ein wechselseitiges Prüfungsverfahren zu durchlaufen, an dessen Ende eine Abstimmung steht, derlei ist aber auch bei trivialeren Interessensgemeinschaften üblich.

PROJEKT PROMETHEUS

Denkt man das humanistische Ziel der Freimaurerei weiter, nämlich als Gemeinschaft daran zu arbeiten, aus der Welt einen besseren Ort zu machen, dann wird klar, warum der Bund in Zeiten wie diesen nach Zulauf trachtet. Schon vor mehr als 3000 Jahren, in Homers Klub der Götter am Olymp, lehnte sich Titan Prometheus gegen den tyrannischen Obergott Zeus auf, indem er seinen Schützlingen, den Menschen, die schmackhafteren Stücke eines Opfertieres zukommen ließ. Folglich löschte ein furioser Zeus alles Feuer, auf dass die Menschen das gute Fleisch nicht zubereiten konnten (klingelts hier assoziativ? Sonst ersetze man einfach Zeus durch Zuckerberg …). Prometheus wiederum stahl das Feuer von der Götterstätte und gab es den Menschen zurück, symbolisch für die Quelle der Inspiration, die Energie, Neues zu erschaffen, sich weiter zu entwickeln. Die Flamme des Prometheus ist in übertragenem Sinn das, was unseren Geist befruchtet, uns potenziell sapiens macht, uns weiterbringt. Tritt man nun nicht als Einzelkämpfer Prometheus, sondern als ganze Horde von Titanen auf, dann sollte sich Tyrann Z. mit deren Verbannung in die Pampa deutlich schwerer tun als einst Zeus mit Prometheus.

Vor wenigen Wochen stürmte eine leibliche Olympierin in die Redaktion des WIENER, sinnbildlich so jemand wie Gaia, die Erde. Sie heißt Frederika Ferkova und hat sich in Berlin Inspiration geholt für eine spannende Idee, die sie, kaum zurück in Wien, auch gleich umsetzte. Es begann mit einem kleinen Kollektiv, einer Handvoll Gleichgesinnter, die sich häufig traf und stetig wuchs. Der Klub war zunächst namenlos, hieß bald „Hausgemacht“ und mündete schließlich in die Idee einer sexpositiven Party, die trotz anfänglicher Bedenken – was? Im prüden Wien? Wer soll denn da kommen? – flugs umgesetzt wurde. Man befürchtete eine lasche Nacht mit 30 schüchternen Wannabes. Well, zuletzt kamen 900 Gäste, die einander toll einschenkten. Und es fühlte sich auch unter denen, die mit Smartphone und Social Media groß geworden waren, großartig an, in der Realwelt richtig Gas zu geben. Fortsetzung folgt. Der Klub kann gar nicht anders, als weiter zu wachsen.

Hair & Make Up: Destiny Kismet
Styling: Alex Pisecker
Model: Mirjam Schweighardt
Wir bedanken uns für private Leihgaben bei: Julia Pagels, Alex Schicht, Andrea + Marc Steger, Julsie Weller