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Wenn Nazis in Höhlen kriechen – Dirk Stermanns Kolumne im WIENER

Wenn neue Tierarten entdeckt werden, darf man sie nennen, wie man will. Deshalb gibt es jetzt eine kleine Motte, die Neopalpa donaldtrumpi heißt, weil die Kopfbeschuppung der winzigen Motte der Frisur des amerikanischen Präsidenten ähnelt. Es hat eine gewisse Tradition, neue Arten nach Herrschern zu benennen. Es gibt deshalb auch einen Anoph­thalmus hitleri. Ein augenloser Käfer, natürlich braun, der in slowenischen Höhlen blind vor sich hinlebt und bis zu 5,5 Millimeter lang werden kann. Ohne Donald Trump verärgern zu wollen, aber der Hitlerkäfer ist damit länger als die Trump-­Motte. Dazu kommt, dass Hitlers Gemächt deutlich größer ist als das der Trump-Motte. Der Aedeagus (Penis) von Anophthalmus hitleri ist sehr kräftig und plump ausgebildet. Er verengt sich zur Spitze, die etwas aufgebogen ist.

Vielleicht findet man noch ­einmal ein Insekt mit einem ausgeprägt plumpen Po. Vielleicht kann man den auch nach Trump benennen. Die amerikanische ­Psychoanalytikerin Erika Freeman, die schon Marilyn Monroe, Marlon Brando und Woody Allen als Patienten hatte, erzählte mir, dass Trump einen absurd großen Fettsteiß hat, der aussieht, als ­hätte er einen Tisch drin stecken. Seitdem ich das weiß, tut Trump mir leid, und ich verstehe, warum er sehr weite und lange Sakkos trägt. Um den Tisch im Arsch zu verstecken.

Der Hitlerpopsch ist dagegen unauffällig, also der des Käfers. Wie der Führerpo aussah, weiß ich nicht, obwohl ich sehr viele Dokus gesehen habe. Blähungen hatte er, aufgrund seiner Magenprobleme. Also der Führer, nicht der Käfer.

Der Anophthalmus hitleri ist ein räuberischer Laufkäfer und wurde 1937 von dem österreichischen Käfersammler Oscar Scheibel entdeckt. „Dem Herrn Reichskanzler Adolf Hitler als Ausdruck meiner Verehrung zugeeignet“, schrieb Scheibel. Ich weiß nicht, ob der Reichskanzler wirklich stolz war auf die Zueignung. Ein blinder Käfer mit plumpem Penis? Passt das zu einem Herren­menschen? Ein Höhlenkäfer?

Während man dem Käfer in der Nazizeit wenig vorwerfen konnte, wurde sein Namensgeber mit dem schwachen Magen zu einem der größten Massenmörder der Geschichte. Und so geriet die Be­nennung des Laufkäfers nach dem Krieg mehrfach in Diskussion. Doch nach den Regeln der zoo­logischen Nomenklatur kann ein einmal vergebener Name nicht mehr geändert werden. Der Käfer selbst wurde nicht gefragt und muss mit plumpem Pimmel und dem Namen Hitler weiter durch slowenische Höhlen kriechen.

Aufgrund seines Namens ist der Anophthalmus hitleri ein gefragtes Sammlerobjekt, wobei es sich bei den Interessenten weniger um klassische Insektensammler handelt, sondern um Sammler von Nazi-Memorabilien. Dadurch ist der Käfer bedroht. Der Sammlerwert der Tiere ist hoch, einzelne Sammler zahlen mehr als 1.000 Euro für ein Exemplar, und viele Käfer wurden sogar aus Museumssammlungen gestohlen. Wenn man also in Slowenien in Höhlen kriechenden Altnazis, Neonazis oder Burschenschaftern begegnet, weiß man jetzt, wieso. Sie er­kriechen sich den Hitlerkäfer.

Ich hab nichts gegen den blinden Nazikäfer und auch nichts gegen die Trump-Motte. Aber wenn ich mich aktuell für ein ­Insekt mit berühmtem Namen entscheiden müsste, dann wäre es wahrscheinlich Nelloptodes gretae. Ein Minikäfer, der nach Greta Thunberg benannt wurde. Er ist rund einen Millimeter groß, hat weder Augen noch Flügel und lebt im Erdreich Ostafrikas. Die Spezies gehört zur Familie der Zwergkäfer und ist so winzig, dass manche Einzeller größer sind. Das wird Greta Thunbeerg wahrscheinlich nicht stören. Ein Motto von ihr lautet: „No one is too small to make a difference.“

Die Benennung hat einen anderen Grund, den man mit bloßem Augen ohne Vergrößerungsglas kaum sehen kann. Die Antennen des Nelloptodes gretae sehen in abstrakter Weise ein wenig wie Zöpfe aus.

Und ich stelle mir vor, wie ­Nelloptodes gretae einmal die ­andere Greta trifft und mit ihr ­gemeinsam die Welt rettet. Gegen all die Trump-Motten und Hitlerkäfer mit ihren Fettsteißen und Plumppimmeln.


Dirk Stermann
kolumniert seit Jahren im WIENER, heißt wöchentlich Österreich ­willkom-
men und ist erfolgreicher Autor.

Foto: Gerald von Foris