AKUT
Ein paar Worte zur 450. Ausgabe des WIENER
Werte Leserinnen, werte Leser, Freunde der Neigungsgruppe WIENER …
450 Hefte à durchschnittlich 150 Seiten, das ergibt doch feiste 67.500 Seiten oder, bei einer ebenfalls durchschnittlichen Grammatur von 40g sind das 2,7 Tonnen Papier, auf denen sich spannende Inhalte, wunderbare Fotografien und für die Ewigkeit geschriebene Texte in den letzten 43 Jahren unter dem Titel „WIENER“ versammelten und Millionen Leser im deutschsprachigen Raum erfreuten, inspirierten, belustigten und hoffentlich auch verärgerten. Hätte man diese Menge an Papier anno 1979 per Termingeschäft angekauft, um sie heute zum aktuellen Papierpreis abzustoßen – man wäre mit einem Schlage sehr, sehr reich.
Was uns ohne Umschweife zur doch markanten Krise bringt, in welcher der heimische (und auch aus dem Ausland hört man nichts Lustigeres …) Medienmarkt steckt:
Die Produktionskosten.
Alleine seit letztem Herbst sind die Papierpreise um knapp 40 Prozent gestiegen, und wer beim ZiB-Schauen letzthin gut aufgepasst hat, weiß auch, wie das weitergeht – die Papierindustrie braucht ziemlich viel Erdgas für den Betrieb ihrer Maschinen.
Der Vertrieb.
Nun, Online versus Print ist ja nun wirklich keine neue Schlacht mehr, aber so rasant wie derzeit gingen uns Haptikfans noch nie die Verbündeten tscharri. Für die sogenannten POS sind die Margen, die beim Magazinverkauf abfallen, nicht mal mehr der Rede, geschweige denn gesteigerten Engagements in Sachen Präsentation wert. Das Resultat: Sinkende Verkaufszahlen (dafür hält sich der WIENER rein zahlenmäßig eh recht stabil, vor allem den Trafikanten sei Dank, und was wir so hören geht vor allem die aktuelle Ausgabe weg wie warme Semmeln, oder Geschnitten Brot, wie es in Deutschland heißt!). Und bei der Haupteinnahmequelle Werbung, die hierzulande letztlich über Leben oder Sterben von Medien entscheidet, krachts erst recht im Gebälk. Marketingbudgets sinken rasant, zunächst wegen COVID, jetzt wegen dem Krieg, bald wegen der Inflation, irgendwas ist ja immer. Und auch die Schaltagenturszene hat längst ins Lager der Online-Fans gewechselt, wenn es darum geht, immer infantilere Claims und Taglines unter das konsumbereite Volk zu bringen. Schließlich ist es weitaus einfacher und unaufwändiger, dem geschätzten Werbetreibenden Fantastillarden von Clicks im herrlich intransparenten Pauschal-Vorteilspack zu verramschen, als ihm die nach wie vor evidenten Vorteile eines aufwändig gestalteten, haptisch vorzüglichen Image-Inserates oder einer hochwertig produzierten wie crossmedial durchdachten Content-Story in diesem oder jenem Printtitel näher zu bringen.
Der Inhalt.
Social Media und Konsorten haben sich längst (und weitgehend unkontrolliert) als schnelle Informationsquellen etablierten, was nicht nur den allgemeinen Bedarf an griffigen Schlagzeilen erhöht, sondern auch beschleunigt. Conclusio: Info gibts schnell und gratis, ob sie stimmt oder woher sie kommt, wird immer egaler. Wozu also eine Meldung, eine Story oder auch nur eine gute Geschichte aufmerksam recherchieren, aufarbeiten und texten, wenn sie bei Erscheinungstermin längst auf Twitter abgebrannt und per Kommentar-Flut fertigdiskutiert wurde.
Was also tun? Aufgeben, zusperren und Würschteln verkaufen?
Mitnichten – wenn man uns lässt. Die Zustände sind volatil wie nie zuvor, früher wußte man Ende des Sommers schon ungefähr, welchen Werbe-Umsatz man im Folgejahr machen wird, derzeit wissen wir noch nicht mal, was und ob das Septemberheft verkauft. Trotz all dem Unbill macht es uns vom WIENER aber noch immer eine diebische Freude, sechsmal im Jahr das einzige österreichische Männermagazin herauszubringen, quasi als lesevergnüglichen, inhaltlichen Rückzugsort für den in vielerlei Hinsicht (und teils auch zurecht) unter Dauerfeuer stehenden Mann. Darüberhinaus sehen wir uns aber auch als zu Papier gebrachte Oase für all jene Menschen, die sich aus dem täglichen Broadcast-yourself-Gewitter im Geltungskampf um die einzig richtige, gültige und akzeptable Ansicht zu eh fast allem ausgeklinkt haben. Den WIENER zu lesen braucht Zeit, Muße, Interesse und Reflektionsbereitschaft – Dinge, die allgemein nicht mehr so in Mode sind.
Umso freudiger nehmen wir zur Kenntnis, dass sich noch immer bis zu 120.000 Menschen pro (Print-) Ausgabe dafür interessieren, was wir zu wissen meinen oder für erwähnenswert halten.
Der Kiosk-Verkauf hält sich wacker stabil, die aktuelle Ausgabe geht sensationell, die Zahl der Abos steigt sogar wieder leicht an, zwar in homöopathischen Dosen, aber doch immerhin. Es gibt sie also noch immer, jene geliebten Menschen, die sich gerne Zeit nehmen für Lesestoff, andere Meinungen respektvoll rezipieren, ohne gleich einen höchstpersönlichen Senf dazu absondern zu müssen. Und die sich bei all den Bildern, all den Texten, all den Überschriften und all den aufwändigen, grafischen Gestaltungen (Dank an dieser Stelle an Gottfried Moritz, Mario Simon und deren Team!), die den WIENER seit jeher ausmachen, darüber freuen, dass hier jemand zwei oder drei Mal nachgedacht hat, bevor er auf irgendeinen „Publish“-Button drückt.
Männermagazin? Wäh!
Heute, wo die Punzierung „Männermagazin“ puncto Image ungefähr dort steckt, wo sich noch vor gar nicht allzu langer Zeit Pornohefte schmuddeligster Provenienz tummelten, freut uns all das ganz besonders. Und keine Angst – wir liefern den WIENER bis auf weiteres (noch) nicht in unauffälligen Sackerln aus, wie das etwa im Sexartikel-Handel üblich ist. Wir stehen zu dem, was wir denken, schreiben und gerne auch online diskutieren (Shitstorm welcome!). Wir lieben und leben die Marke WIENER mit all ihrer Strahlkraft und Stärke inhaltlich konsequenter, intensiver und impulsiver als je zuvor, weil uns ja letztlich auch gar nichts anderes übrigbleibt. Eine Inbrunst, die Sie, werter Leser, geschätzte Leserin, hoffentlich spüren.
Weil: Vor allem lieben wir Sie, geschätzte Leserinnen und Leser. Bitte bleiben Sie uns gewogen. Und holen Sie sich, wenn Sie noch keins haben, doch bitte ein Abo.
fjs
(Franz J. Sauer, Herausgeber & Chefredakteur WIENER)